© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Linke Lobbyarbeit trägt reichlich Früchte
Umbenennung von Straßen: Politische Korrektheit in Hannover – sozialistisches Beharrungsvermögen in Rostock
Hinrich Rohbohm

Gabriele Dörries hat wenig Zeit. Die Einkaufstasche bereits in der Hand, tritt sie aus der Eingangstür ihres Mehrfamilienhauses in der Lettow-Vorbeck-Allee. „Na gut“, sagt die rüstige Rentnerin. Fünfzehn Minuten ist noch Zeit zum Reden, meint sie. Fünfzehn Minuten. Um über ein Thema zu sprechen, das die Bewohner der Straße seit nunmehr drei Jahren beschäftigt. Es geht um die geplante Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Allee in Hannover-Badenstedt. Von SPD, Grünen und Linkspartei parlamentarisch beschlossen. Von der Stadt angeordnet. Und von einer breiten Mehrheit der Anwohner abgelehnt.

„Der Wille der Bürger wird einfach ignoriert“

„Die setzen sich einfach über die Betroffenen hinweg“, empört sich die ehemalige Sachbearbeiterin für Versicherungen im Ausland. Gabriele Dörries hatte Unterschriften gesammelt. 325 der 400 Anwohner hatten gegen die Umbenennung unterschrieben. Hannovers Ratsvertreter wollen den Namen Lettow-Vorbeck dennoch von der Stadtkarte fegen. „Was passiert denn, wenn die Bürger mehrheitlich ablehnen?“ hatte ein CDU-Ratsherr die hannoversche Stadtverwaltung gefragt. „Die Anwohner haben ein Anhörungsrecht, letztlich entscheidet aber der Rat der Stadt“, war die Antwort.

Damit aber wollen sich die Betroffenen nicht zufriedengeben. Andreas Langlott, ein Nachbar von Gabriele Dörries, klagt jetzt vor dem Verwaltungsgericht. Und konnte erreichen, daß die sonst wohl schon längst vollzogene Umbenennung erst einmal auf Eis liegt. „Es kann doch nicht sein, daß der Wille der Bürger hier einfach ignoriert wird“, meint Langlott. Auch Hans-Caspar Graf zu Rantzau, ein Enkel Lettow-Vorbecks, hat inzwischen rechtliche Schritte eingeleitet und Strafanzeige erstattet. Darüber hinaus hat er einen Strafantrag wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gestellt.

Ein weiterer Anwohner verweist auf die Walderseestraße. „Dann hätten sie die ja auch ändern müssen“, sagt er. Das war versucht worden. Die SPD wollte sie 1977 in Gustav-Heinemann-Straße umbenennen, war damit jedoch gescheitert. Auch die Lettow-Vorbeck-Allee steht nicht zum ersten Mal im Fokus einer linken Lobby, die die Umbenennung von Straßennamen als Teil einer systematischen Politik zu betreiben scheint. Schon 1980 hatte die DKP die Entfernung des Namens Lettow-Vorbeck in Hannover gefordert. Die Linkspartei tritt nun offenbar in ihre Fußstapfen.

Der erneute politische Feldzug gegen die Lettow-Vorbeck-Allee beginnt am 29. August 2007. Der Bezirksratsherr Siegfried Seidel (Die Linke) stellt im Stadtbezirksrat von Ahlem-Badenstedt-Davenstedt einen Antrag auf Umbenennung. Lettow-Vorbeck habe die Ermordung von Männern, Frauen und Kindern der aufständischen Nama in Südwestafrika begrüßt, argumentiert Seidel. Zudem hätten in Ostafrika deutsche Truppen unter seinem Kommando gefangene und verwundete Gegner ermordet, Frauen vergewaltigt und Dörfer geplündert. Die Deutschen hätten Tausende von Afrikanern gezwungen, als Trägersklaven zu „schuften“, was viele nicht überlebt hätten. Flüchtende Träger und desertierende afrikanische Soldaten habe Lettow-Vorbeck erschießen lassen, heißt es in dem Antrag, den er zwei Wochen später dahingehend ändert, die Straße in Jakobus-Morenga-Straße umzubenennen. Morenga, ein Guerillakämpfer während der deutschen Kolonialzeit, war für zahlreiche Überfälle auf weiße Siedler in Südwestafrika verantwortlich.

Auf Grundlage der Behauptungen Seidels greift die SPD den Antrag auf. Sie stellt nun selbst im Bezirksrat einen Antrag auf Prüfung durch die Stadt Hannover. „Weil dem Namensgeber mit seinen Handlungen viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Rassismus und Kriegsverbrechen anzulasten sind“, so die einem vorweggenommenem Ergebnis gleichende Begründung der Genossen. Der Antrag wird im Oktober 2007 ungeachtet der linksextremistischen Herkunft der Anschuldigungen mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei angenommen. Die Stadt Hannover wird darin aufgefordert zu prüfen, ob nach den „Grundsätzen und Verfahren für die Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen“ die Voraussetzungen gegeben seien, die Lettow-Vorbeck-Allee umzubenennen.

Für die sogenannte „Prüfung“ beauftragt die Stadt Helmut Bley, einen längst emeritierten Professor der Leibniz-Universität Hannover. Weil er ein anerkannter Kolonialhistoriker sei, so die Begründung des Stadtbaurats Uwe Bodemann (SPD) in einem Schreiben vom 2. Dezember 2009. Bley kommt in seinem „Gutachten“ zu dem von den Anragstellern gewünschten Ergebnis. In einem Schreiben der Stadt an die Anwohner vom 4. Juni vorigen Jahres heißt es in bezug auf Bleys Schlußfolgerungen: „Aus diesen Auszügen ist für die Landeshauptstadt Hannover eindeutig erkennbar, daß Lettow-Vorbeck eine Person ist, die im nachhinein Bedenken aufführt, weil diese Person Ziele und Wertvorstellungen verkörpert, die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Verfassung, der Menschenrechte bzw. einzelner für die Gesamtrechtsordnung wesentlicher Gesetze steht.“

„Völlig irrsinnig“, meint der Anwohner. „Wer hat denn vor mehr als 100 Jahren unsere heutigen Wertvorstellungen verkörpert? Da müssen sie ja unsere ganze Geschichte umschreiben und halb Deutschland umbenennen.“

Doch an der gebotenen Sachlichkeit und Neutralität dieses „Gutachters“ gibt es ohnehin Zweifel. Kenner der Materie behaupten, Bley sei schon seit längerem ein Sympathisant der Umbennenungs-betreiber. Insider sprechen zudem davon, daß Bley dem linken Flügel der SPD nahestehe und ein persönlicher Freund des Ex-Oberbürgermeisters Herbert Schmalstieg sei. Sogar von einer „von kommunistischer Seite initiierten Rufmord-Kampagne“ ist die Rede.

Während sich linke Parteien in Hannover auf Werte und Menschenrechte berufen, nehmen sie es damit in den neuen Bundesländern offenbar weniger genau. So etwa im mecklenburgischen Rostock. Dort hatte der Ortsbeirat von Toitenwinkel bereits 2001 einstimmig die Umbenennung der Ilja-Ehrenburg-Straße gefordert. Ehrenburg hatte während des Zweiten Weltkriegs zur Tötung von Deutschen aufgerufen. „Töte! Die Deutschen sind keine Menschen“ ist einer der Sätze, die der für die sowjetische Propaganda Stalins tätige Journalist in der Prawda veröffentlichte. Seine Haßtiraden hatten maßgeblich zu den Greueltaten der Roten Armee an der ostdeutschen Bevölkerung gegen Ende des Krieges beigetragen.

In der Rostocker Stadtverwaltung waren in der Vergangenheit immer wieder Beschwerden von Besuchern der Hansestadt eingegangen, die sich darüber empörten, daß selbst 20 Jahre nach dem Ende der DDR eine derartige Namensbezeichnung existiere. Doch SPD und Linkspartei lehnten in der Rostocker Bürgerschaft eine Änderung ohne nähere Angabe von Gründen ab.

Auch nachdem der Historiker Fred Mrotzek in einem Vortrag vor dem Ortsbeirat Ehrenburgs Anstiftung der Roten Armee zum Massenmord an der deutschen Zivilbevölkerung für erwiesen erachtete, änderte sich an deren Haltung nichts. Im Gegenteil: Die Beiratsvorsitzende Anke Knitter (SPD) hatte nach dem Vortrag eine weitere Diskussion über die Straße unterbunden.

„Die waren nicht mal bereit, sich die Argumente anzuhören“, sagt Mathias Kühl, Kreisvorsitzender der Jungen Union Rostock. Sein Verband hatte erst vor kurzem die Umbenennung der Straße erneut zum Thema gemacht. Doch die CDU-Stadtratsfraktion scheute sich, einen entsprechenden Antrag einzubringen. Zum einen, weil die Mehrheiten fehlen. Zum anderen, weil die NPD auf den Umbenennungszug aufgesprungen sei und man gemeinsame Abstimmungen mit Rechtsradikalen vermeiden wolle.

Doch die Junge Union legte nach. In der vergangenen Woche überraschte sie auf der Kreismitgliederversammlung der Rostocker Christdemokraten mit einem Initiativantrag, in dem die Stadtratsfraktion aufgefordert wird, die Umbenennung in die Bürgerschaft einzubringen, „sobald die Mehrheitsverhältnisse dies zulassen“. 42 Parteimitglieder stimmten zu, drei votierten dagegen, drei weitere enthielten sich. Um eine Mehrheit zu erhalten will man nun auf die SPD zugehen und die Straße nach einem Sozialdemokraten benennen.

 

Ilja Ehrenburg, geboren am 27. Januar 1891 in Kiew, war ein sowjetischer Schriftsteller und Journalist. Während des Zweiten Weltkriegs war er als sowjetischer Propagandist tätig und forderte in seinen Schriften unter anderem zum Massenmord an Deutschen auf. Umstritten ist dagegen, ob er auch zur Vergewaltigung deutscher Frauen aufgerufen hat. Ilja Ehrenburg starb am 31. August 1967 in Moskau.

 

Paul von Lettow-Vorbeck, geboren am 20. März 1870 in Saarlouis, war ein preußischer Generalmajor. Als Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika konnte er sich mehrfach erfolgreich gegen die Briten behaupten. Er wurde 1916 mit dem höchsten preußischen Militärorden „Pour le Mérite“ ausgezeichnet, 1917 erhielt er das Eichenlaub dazu. Von Lettow-Vorbeck starb am 9. März 1964 in Hamburg.

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