© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Pakt mit dem Teufel
Geheimdienste: Der rumäniendeutsche Lyriker Oskar Pastior war Informant der Securitate
Andreas Wild

Oskar Pastior, der 2006 im Alter von 78 Jahren verstorbene rumäniendeutsche Lyriker, Übersetzer und Büchnerpreisträger, ist jetzt als langjähriger Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes Securitate in Rumänien enttarnt worden. Von 1961 bis zu seiner Flucht in den Westen 1968 war er als IM in Hermannstadt und Bukarest unterwegs. Über Details seiner Spitzeltätigkeit wird zur Zeit gerade genauer nachgeforscht.

Wie im Falle Milan Kunderas vor zwei Jahren (JF 45/08) ist die Betroffenheit bei vielen Literaturfreunden groß. Pastior war zwar keine Weltberühmtheit wie Kundera, aber seine witzigen, im Stile „konkreter Poesie“ geschriebenen „Lautgedichte“ machten ihn zum Liebling des deutschen Kulturbetriebs, und seine seinerzeitige Zusammenarbeit mit der Nobelpreisträgerin Herta Müller beim Schreiben ihres Romans „Atemschaukel“ verschaffte ihm zusätzlichen posthumen Ruhm. Jetzt fragen sich viele, warum sich Pastior nicht wenigstens gegenüber seiner Freundin und Arbeitskameradin Herta Müller offenbart hat.

Oskar Pastior, 1927 in Hermannstadt als Angehöriger der Minderheit der Siebenbürger Sachsen geboren, war im Gegensatz zu Kundera zu keiner Zeit jugendlicher Idealist, der sich dem Regime phasenweise mit Haut und Haaren auslieferte. Als siebzehnjähriger Jüngling 1945 für lange Jahre in ein sowjetisches Arbeitslager verschleppt, nur weil er Deutscher war, wußte er von Anfang an über die Grausamkeit und Absurdität des Systems Bescheid, machte sich nicht die geringsten Illusionen. Trotzdem hat er den Vertrag mit dem Teufel unterschrieben. Warum?

Die Securitate hat ihn, nach allem, was man weiß, nach seiner Rückkehr aus dem Lager nicht gefoltert, „nur“ gedemütigt, unter Druck gesetzt, ihn mit Zuckerbrot und Peitsche einsatzfähig gemacht. Er durfte studieren, später wurde er Redakteur in der deutschsprachigen Abteilung des kommunistischen Staatsfunks. Er verhielt sich „loyal“, auch nach seiner Flucht in den Westen, wo er sich zu keiner Zeit als „kalter Krieger“ betätigte.

Man muß es wohl so sagen: Pastior war kein Held, eher eine Art Unterheld. Das wird man ihm freilich kaum vorwerfen wollen; so machen’s ja (fast) alle. Doch daß er der Dichterin und Freundin Herta Müller, der er von seinen Lagerleiden ausführlich erzählte und die ihm also zur Atemschaukel verhalf, nicht sein Herz öffnete, wirft einen dunklen Schatten auf sein Leben.

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