© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Wartezeit
Karl Heinzen

Die Mindestaufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von Migranten, so schlägt die Bundestagsfraktion der FDP vor, sollte von derzeit acht auf in Zukunft vier Jahre halbiert werden. Auf den ersten Blick mag diese Empfehlung im Widerspruch zu der Alltagserfahrung stehen, daß nicht wenige Einwanderer froh wären, wenn man sie in ihren Bemühungen, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden, nicht so sehr unter Zeitdruck setzen würde.

Genau betrachtet, zeugt der Vorschlag jedoch von psychologischem Fingerspitzengefühl. Wer nahezu ein Jahrzehnt warten muß, bis er von Amts wegen als Deutscher anerkannt wird, droht zwischenzeitig leicht den Elan zu verlieren, dieses Lebensziel beharrlich zu verfolgen. Nicht wenige Migranten flüchten sich gemeinsam mit Schicksalsgefährten in eine Parallelgesellschaft, weil sie eben das Gefühl haben, daß die bundesrepublikanische sie eigentlich gar nicht so recht akzeptieren möchte. Die Verheißung einer rascheren Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft würde hingegen, wie die FDP zu Recht feststellt, „Offenheit und Aufnahmewillen“ signalisieren.

Da die Zahl der Einwohner im erwerbsfähigen Alter beständig schrumpft und manche Betriebe bereits heute einen Mangel an Fachkräften beklagen, stellt sich die Frage, ob nicht auch eine Wartezeit von vier Jahren bis zur Aushändigung der Einbürgerungsurkunde immer noch deutlich zu lang ist. Es zeichnet sich vielmehr ab, daß Unternehmen, die im Ausland dringend benötigtes Personal rekrutieren wollen, schon in naher Zukunft legitimiert werden müssen, über einen Arbeitsvertrag hinaus auch die deutsche Staatsbürgerschaft nach überstandener Probezeit anzubieten. Nachzudenken wäre zudem über intelligente Lösungen, mit denen Hochqualifizierte, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen eigentlich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, dauerhaft an uns gebunden werden können. Hier käme beispielsweise eine Zwangseinbürgerung für ausgewählte Touristen in Frage.

Per se sollte der Blick aber nicht allein auf die Migranten gerichtet werden. Integration ist keine Einbahnstraße. Sie erfordert die Bereitschaft jener, die der aktuellen Mehrheitsgesellschaft angehören, neue Mitbürger als solche anzuerkennen. Gegen autochthone Integrationsverweigerer muß sich unser Gemeinwesen daher zur Wehr setzen können. Hier sollte es über seinen Schatten springen und sich in die Rechtstradition der einstigen anderen Republik auf deutschem Boden stellen, die die Zwangsausbürgerung für besonders renitente Staatsfeinde vorsah.

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