© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Selbsthilfe für Anfänger
Romanverfi lmung: „Eat Pray Love“ von Ryan Murphy mit Julia Roberts in der Hauptrolle
Silke Lührmann

Arme Liz Gilbert! Die erfolgsverwöhnte New Yorker Autorin mag alles haben, was das an „Sex and the City“ abgestumpfte Frauenherz begehrt – Klamotten, Kreditkarte, Karriere, ganz zu schweigen vom eigenen Haus und der Rentenversicherung –, und aussehen wie ... nun, eben wie Julia Roberts, und doch scheint plötzlich alles so sinnlos und fad.

Wohlstand macht vielleicht nicht glücklich, aber immerhin wohlhabend: So kann sie sich nach der schmerzhaften Scheidung vom unreifen Ehemann (Billy Crudup) und der Trennung vom jüngeren Liebhaber (James Franco) eine einjährige Auszeit gönnen und sich mit einer ganzen Kollektion tief ausgeschnittener T-Shirts und hübscher Blüschen im Handgepäck auf die Suche nach dem inneren Gleichgewicht begeben.

Als „Pretty Woman“ entschied sich Julia Roberts noch für den Märchenprinzen und gegen die Selbstverwirklichung. Diesmal, zwanzig Jahre später und um kein einziges Fältchen gealtert, ist sie in der Filmadaption „Eat Pray Love“ des gleichnamigen Bestsellers in der Rolle der Liz Gilbert zum Entsetzen ihrer besten Freundin wild entschlossen, das damals Versäumte nachzuholen.

Essen, Beten, Lieben – was für den Magen, was für die Seele, was fürs Herz –, damit sind die Bedürfnisse des aufgeklärten spätmaterialistischen Verbrauchers hinreichend benannt und befriedigt. Rom, ein indischer Ashram und Bali bilden die malerische Kulisse für den Selbstfindungstrip der ganz und gar nicht häßlichen Amerikanerin; der Pressemappe zum Film liegt ein Werbetext der indonesischen Fremdenverkehrsbehörde bei, der „spezielle Arrangements und spirituelle Reisen“ zu den Originalschauplätzen und „Insider-Tips für besondere Momente à la ‘Eat Pray Love’“ verspricht. Die Wunder und Weihen ferner Orte, von denen der olle Gottfried Benn nichts wissen wollte („ach, vergeblich das Fahren!“), sind im Zeitalter des All-inclusive-Urlaubs zum Preis eines Pauschalangebots zu haben, und das von den Bombenanschlägen 2002 und 2005 schwer gebeutelte Ferienparadies kann froh sein über soviel großzügige Produktplazierung in Ryan Murphys Film.

Unterwegs trifft Liz auf ein wandelndes Klischee nach dem anderen: von der bärtigen römischen Vermieterin über den zahnlosen balinesischen Medizinmann, der ihr beibringt, mit der Leber zu lächeln, bis zu Felipe (Javier Bardem), den gefühlsduseligen Brasilianer mit waidwundem Herzen, Import-Export-Unternehmen und einem passenden Mixtape für jede Gelegenheit.

Die Fortsetzung dieser zweieinhalbstündigen Ode an die Oberflächlichkeit droht in naher Zukunft: Denn nach ihrem autobiographischen Selbsthilfe-Einmaleins „Eat Pray Love“ von 2006 verkauft sich auch Elizabeth Gilberts neues Buch „Das Ja-Wort. Wie ich meinen Frieden mit der Ehe machte“ bestens – pünktlich zum hiesigen Filmstart sind beide Meisterwerke des postfeministischen Wellness-Kitsches seit Ende August auch in deutscher Übersetzung erhältlich.

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