© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Jagd nach dem verlorenen C
Hinrich Rohbohm

Skepsis war angebracht,  als die CDU für den vergangenen Montag um die Mittagszeit in das dem Reichstag benachbarte Paul-Löbe-Haus geladen hatte. Zumindest, was das „C“ in ihrem Namen betrifft. Ob dieser Buchstabe noch seine Berechtigung hat, fragen sich zwei von ihrer Partei irritierte Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, die sich von der Veranstaltung eine positive Antwort erhoffen.

Sogar den Apparatschiks im Adenauer-Haus dämmert es langsam: Bei ihren taktischen Spielereien um Multikulti-Mitte, Macht und Moneten haben sie ihre Wähler vergessen. Deshalb wollen die Unions-Funktionäre nach fünfjähriger kanzlerinbedingter „C“-Abstinenz und  katastrophaler Umfragewerte ihr Herz für christliche Werte wiederentdecken. Mit dem Titel „Das ‘C’ ist für uns Programm – Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes“ lockte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zumindest 400 Personen ins Foyer des Paul-Löbe-Hauses. Wohlwollend gezählt. Fraktionschef Volker Kauder rundete das gleich mal großzügig auf 700 und fand es „einfach toll“, daß so viele gekommen waren. Daß es nicht mal 500 Sitzplätze gab und diese längst nicht alle besetzt waren, sei nur am Rande bemerkt.

Dafür ist des Fraktionschefs Rede  besser als jeder Schlummertrunk. Gleich ein halbes Dutzend Zuhörer wiegen sich mit geschlossenen Augen im Singsang der Kauderschen Sowohl-als-auch-Beschwichtigungsrhetorik, in der außer Pflichtlob an Familien und Standard-Phrasen nicht viel Neues in Sachen „C“ auszumachen ist. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, setzt die hypnotisierende Prozedur fort. Nein, Christlich-Konservative würden von der Union nicht vernachlässigt. Applaus aus den drei vorderen Funktionärsreihen, ansonsten betretenes Schweigen.

Und in Sachen Integration geschehe in Deutschland doch „sehr, sehr viel“, erklärt der Erzbischof den immer sparsamer dreinschauenden Zuhörern, die gegen Ende der Veranstaltung zumindest noch ein paar Fragen loswerden dürfen. Kommt jetzt der große Protest, der Appell an die allseits beschworenen christlichen Werte, jenes hohe „C“ der Partei? Gleich die erste Frage sorgt für Ernüchterung. Sie kommt vom stellvertretenden Vorsitzenden der Lesben und Schwulen in der Union, der sich zunächst mal genötigt sieht zu betonen, daß er mit einem Mann zusammenlebt. Sein Fragegehalt, soviel sei verraten, trägt nicht wirklich zur Profilschärfung bei. Die zweite Frage kommt von einem „Christdemokraten der AUF-Partei“: „Wie ist es mit dem ‘C’ vereinbar, daß mit Frau Özkan eine überzeugte Muslimin in der Union eine Führungsposition bekleidet?“ Antwort der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Maria Flachsbarth: „Ich bin froh, daß wir Frau Özkan in unseren Reihen haben.“ Wieder betretenes Schweigen. Am Ende der Veranstaltung bleibt die Erkenntnis, daß Skepsis berechtigt war. Und das es nicht nur Zuhörer waren, die im politischen Diskurs dieser Tage eingenickt sind. Ruhe sanft, CDU.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen