© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Der Aufstand der Zwerge
Junge Union: Immer wenn der Nachwuchs der Union „zu rechts“ wird, gibt es was auf die Finger / Eine Aufzählung
Christian Vollradt

Für gewöhnlich gilt die Junge Union (JU) als ein politischer Verband, in dem sich der Partei-nachwuchs eher zur Karriereanbahnung versammelt als zur inhaltlichen Profilierung – von Provokationen einmal ganz zu schweigen. Stromlinienförmig seien die Mitglieder, heißt es dazu stets. Das Klischee ist nicht aus der Luft gegriffen – und doch gibt es immer wieder Ausnahmen; dazu zählen auch Ansätze „von rechts“, die freilich meistens schon im Keim erstickt werden.

Jüngstes Beispiel: die „Eislinger Erklärung“ der JU im baden-württembergischen Göppingen, die im April dieses Jahres beschlossen und nach vielfachem Hin und Her, Distanzierungsforderungen und Rechtfertigungsversuchen im Juni zurückgezogen worden war (JF 25/10). Gefordert wurde in dem Thesenpapier eine „dringend notwendige innerparteiliche Rückbesinnung auf die ursprünglichen christdemokratischen Werte“ vor allem in den Punkten „christliche Leitkultur, Familie, Nation, Bildung, Schöpfung und Integration“.

Die CDU dürfe sich nicht „hin zu falschen Inhalten und Seiten“ anbiedern, sondern müsse zu den christlichen Wurzeln zurückkehren. Außerdem bedürfe es der „Abkehr von der Selbstgeißelung mit den Verbrechen des Dritten Reiches, wie sie von der politischen Linken seit Jahren betrieben wird“, und statt dessen einer vermehrten „Besinnung auf Geschichte und Tradition der deutschen Nation vor 1933 und nach 1945“. Vehement forderte die Göppinger JU eine konservative Familienpolitik. Dazu gehöre die Ablehnung einer staatlichen Förderung von Kinderkrippen, ein Ende des marxistisch motivierten Gender-Mainstreamings und der Förderung von Veranstaltungen der Homosexuellen-Lobby. Ihr Strategiepapier verstand die JU als „Plädoyer für eine Wende“ und einen „Aufruf an die Mitglieder der CDU, den Kampf um ihre Partei aufzunehmen“. Im Linkstrend der Partei sahen die Nachwuchsfunktionäre auch eine negative Entwicklung für das Land. Immer mehr Wähler wendeten sich von der Union ab, die innerparteilichen Unmutsbekundungen würden zunehmend lauter und einzelne Mitglieder befänden sich in einer Zerreißprobe.

Der Landesvorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Christian Kühn, nannte die JU-Thesen „ausländerfeindlich, homophob, nationalistisch, frauenfeindlich“. Sie offenbarten zudem ein reaktionäres Familien- und Gesellschaftsbild, sagte der Grünen-Chef in einem Interview mit der Südwest Presse. Weil die JU „dabei die Grenzen zwischen demokratischen Parteien und ultrarechten Gruppierungen“ verwische, forderte Kühn eine Distanzierung der CDU-Spitze. Diese erfolgte zwar nicht öffentlich; aber keine zwei Wochen später machten die Göppinger den Kotau: Es habe „mißverständliche, falsche Formulierungen und auch handwerkliche Fehler“ gegeben. „Wir bedauern dies zutiefst und ziehen deshalb das Diskussionspapier zurück.“

Im Sommer 2008 hatte der christdemokratische Nachwuchs in Hamburg einen Referenten aus dem Umfeld der „konservativ-subversiven Aktion“ zum Vortrag eingeladen – und bezog prompt Prügel: „Wieder gibt es in der Jungen Union Hamburg Ärger wegen einer großen Nähe zu Rechtsradikalen“, wetterte das Abendblatt. Auch die JU Niedersachsen wagte sich in den Jahren 2000 und 2001 unter ihrem damaligen Landesvorsitzenden Gerold Papsch über manche Opportunitätsgrenze hinaus. Das begann mit einer deutlichen Profilierung beim Thema Sicherheitspolitik, ging über die Forderung nach mehr „positivem National- und Staatsbewußtsein“ auch in den eigenen Reihen und gipfelte schließlich in dem Versuch, eine dezidierte Anti-68er-Bewegung zu etablieren. Als sich Papsch jedoch in einen Dauerzwist mit dem Chef der Landes-CDU, dem heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff, verrannte, gingen ihm auch die letzten Unterstützer von der Fahne.

Das Phänomen eines vereinzelten konservativen Aufmuckens in der JU wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen. Es umfaßt mal mehr mal weniger Kreise und Bezirke, wird gelegentlich auch in der überregionalen Presse mißtrauisch beäugt und ähnelt meist mehr einem Strohfeuer denn einem Flächenbrand. Anfang der neunziger Jahre hatten sich diverse Zirkel in mehreren Landesverbänden etabliert: Sie hießen „Arbeitskreis junger Konservativer“ (Braunschweig), Karlshorster Kreis (Berlin), Petersberger Kreis (Hessen) oder Diedrichshägener Kreis (Mecklenburg-Vorpommern). 1992 vernetzten sich Teilnehmer dieser eher informellen Runden und bildeten den Grundstock für das Christlich-Konservative Deutschlandforum. Drei Jahre später war damit Schluß: Die von der CDU-Spitze verordnete Ausgrenzung hatte ihre Wirkung gezeigt, eigene Inaktivität und interne Unstimmigkeiten taten ihr übriges.

Foto: Gummibärchen für den Politiker-Nachwuchs:  „Falsche Formulierungen und handwerkliche Fehler“

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