© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Realitätsverweigerung mit Ansage
Integrationsdebatte: Die Friedrich-Ebert-Stiftung versucht, über den rechten Populismus zu richten, ohne den linken zu erwähnen
Christian Dorn

Nicht erst seit dem Verkaufserfolg des Buches von Thilo Sarrazins zur Integrationspolitik beschwört die SPD die „Gefahr von rechts“. Deutlich wurde dies vergangene Woche, als die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin unter dem Titel „Extrem populär?! Rechtspopulismus in Deutschland und Europa“ eine Scheindiskussion führte. Dies offenbarte sich bereits darin, daß die Gefahr des Linkspopulismus nicht thematisiert wurde – aus wohlweislichen Gründen, paktiert doch die SPD seit langem mit der Linkspartei auf Länderebene.

Statt dessen war allenfalls von „linken Populisten“ die Rede, die in Deutschland an die Stelle „rechter Populisten“ getreten seien. Die hierdurch zutage tretende Schizophrenie stach damit umso deutlicher hervor: Sind doch die größten Stimmenverluste der deutschen Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren durch die Abwanderung der Wählerschaft zur Linkspartei verursacht. So gesehen bedurfte es einer gehörigen Portion Realitätsverweigerung, um aus SPD-Sicht ausgerechnet die Gefahr eines heraufkommenden Rechtspopulismus zu beschwören.

In diesem Sinne wurden die Medien an den Pranger gestellt, weil diese – so die FES-Referentin Nora Langenbacher – den „unsäglichen Thesen Sarrazins“ ein viel zu großes Podium geboten hätten. Zudem sei es ein „alarmierender Erfolg“, daß es rechtsextremen Parteien dadurch gelungen sei, ihre Themen und Argumentationen („Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie“) in den Diskurs einfließen zu lassen. Um ein genaueres Bild des „Rechtspopulismus“ bemühte sich der  Ethnologe und Orientalist Werner T. Bauer. Der hatte für die „Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“ eine Studie über das Phänomen „Rechtspopulismus“ erstellt, deren Ergebnisse den Genossen in Berlin als ideologisches Rüstzeug im ewigwährenden „Kampf gegen Rechts“ dienen sollten. Ganz wollte dies nicht gelingen, konnte doch Bauer für Deutschland „keine relevante rechtspopulistische Bewegung“ erkennen. Zudem mutete es für das Publikum befremdlich an, als Bauer die Einbindung rechtspopulistischer Parteien in die politische Verantwortung als bestes Mittel bezeichnete, um diese zu entzaubern und damit deren Stimmenanteil zu reduzieren.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer warf den Medien vor, „rechtspopulistisch verseucht“ zu sein: Die Berichterstattung der Bild-Zeitung, so Schäfer, mache ihn noch immer „fassungslos“, hätte diese doch eine „wochenlange ausländerfeindliche, rassistische Kampagne“ gefahren.

Gleichzeitig versuchte Schäfer, den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel zu verteidigen, der – ob seiner Drohung gegenüber integrationsunwilligen Migranten – von Timo Reinfrank kritisiert worden war. Letzterer, ein Vertreter der im Dienst des „Kampfes gegen Rechts“ stehenden Antonio-Amadeu-Stiftung, hatte sich über den Populismus von Gabriel beklagt. Dessen „absurde Wende“, so Reinfrank, sei „nicht hilfreich“. Die Wähler würden dann lieber für das Original stimmen. Freilich schwieg sich Reinfrank aus, wer in seinen Augen das eigentliche Original ist: Die Linkspartei, deren Wählerschaft eine besonders große Nähe zu Sarrazins Thesen aufweist, „rechtspopulistisch verseucht“?

Wie schwierig die Abgrenzung von „Rechtspopulisten“ letztlich fällt, will die SPD eine Volkspartei bleiben, demonstrierte Schäfer eher unfreiwillig am Beispiel der Asylpolitik, wo er aus eigener Erfahrung berichtete: „Wie gehe ich damit um, wenn 800 Unterschriften gegen die Abschiebung einer Familie vorgelegt werden, und sich dann herausstellt, daß die Betreffenden sich der betrügerischen Zuwanderung schuldig gemacht haben?“ Daß die Distanzierung von Sarrazin nicht überall an der Basis geteilt wird, zeigten zudem die Wortmeldungen einiger SPD-Mitglieder. So verwahrte sich ein Politologe gegen die verzerrte Darstellung der kritisierten Parteien als „rechtspopulistisch“, denn letztlich gehörten auch diese zum demokratischen Parteienspektrum. Auch nütze es nichts, die Migrationsprobleme zu verdrängen: „Wer die deutsche Sprache nicht lernen will, hat hier nichts verloren.“

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