© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Bundeskabinett beschließt Gesundheitsreform
Billiger wird es nicht
Jens Jessen

Angesichts des medizinischen Fortschritts, höherer Lebenserwartung und weniger Beitragszahlen kann Gesundheit nicht billiger werden. Mögliche Effizienzsteigerungen können dies nicht kompensieren. Weil das so ist, hat Gesundheitsminister Philipp Rösler die Krankheitskosten vom Einkommen des Arbeitnehmers entkoppelt. Ansonsten würden in einer alternden Gesellschaft steigende Gesundheitsausgaben die Beschäftigung verteuern. Der Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird ab 2011 um 0,6 auf 14,6 Prozent erhöht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen paritätisch 7,3 Prozent. Dazu kommt die allein vom Versicherten zu tragende Sonderabgabe von 0,9 Prozent. Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 7,3 Prozent festgeschrieben.

Wenn eine Kasse damit nicht auskommt, kann sie einen Zusatzbeitrag als Pauschale erheben, der nicht mehr auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt ist. Das GKV-Finanzierungsgesetz hebt die bisherige Deckelung der Zusatzbeiträge auf. Das kommt einem Einstieg in das Prämiensystem gleich (JF 7/10).

Um eine Überforderung zu vermeiden, ist ein Sozialausgleich aus Steuermitteln vorgesehen. Zumutbar soll ein Zusatzbeitrag von zwei Prozent sein, der nicht kassenspezifisch ist, sondern vorab vom Bundesversicherungssamt für das Folgejahr als Durchschnittszusatzbeitrag aller Kassen in Euro berechnet wird. So können Versicherte in eine günstigere Kasse wechseln, bevor sie den Sozialausgleich in Anspruch nehmen. Rösler hat mit der künftigen Finanzierung der GKV Rückgrat bewiesen. Es ist ihm damit gelungen, einen Teil seiner Pläne für ein Prämiensystem für die Kassen durchzusetzen. Davon abgesehen: Die zur Finanzierung des Sozialausgleichs nötigen Steuermilliarden werden erst ab 2015 gewährt. Die zusätzlichen Beitragsmittel aus der Beitragssatzerhöhung für 2011 werden erhöhte Zusatzprämien zur Ausnahme machen. Deshalb konnte auch CSU-Chef Horst Seehofer – von 1992 bis 1998 selbst einmal Bundesminister für Gesundheit – der Reformvorlage zustimmen.

Die Oppositionspolitiker toben. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will die gesamte Reform rückgängig machen. Dabei stammt das Reformfundament von Röslers Amtsvorgängerin Ulla Schmidt. Die SPD-Politikerin hat den GKV-Einheitsbeitragssatz durchgesetzt und die größte Beitragssatzerhöhung in der Geschichte der GKV auf den Weg gebracht.

Sie war auch für die Einführung von Zusatzbeiträgen verantwortlich. Bei Einführung des Gesundheitsfonds betrug der Kassenbeitrag 15,5 Prozent. Er wurde aufgrund der Wirtschaftskrise auf 14,9 Prozent gesenkt. Die Defizite wurden aus Steuern finanziert. Schon damals war den Beteiligten klar, daß die künstlich niedrigen Beiträge nur kurze Zeit zu halten wären. Das Oppositionsgeschrei ist daher völlig überflüssig.

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