© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Die Dominosteine beginnen zu kippen
Finanzkrise: Irland und Portugal folgen dem griechischen Pleitedrama / Zinsen für neue Staatsanleihen steigen auf EU-Rekordniveau
Bernd-Thomas Ramb

Im Mai dieses Jahres stand Griechenland vor dem Bankrott, weil für die staatlichen Schuldverschreibungen keine neuen Gläubiger gefunden wurden. Es sei denn, Athen hätte Zinssätze akzeptiert, die weit über dem Durchschnitt der Euro-Länder lagen. Nun droht dasselbe Schicksal den überschuldeten Euro-Währungsgenossen Irland und Portugal. Auch sie müssen alte Schulden refinanzieren und für zusätzliche neue Schulden Abnehmer finden. Der irische Staat hat sich zudem die heikle Selbstverpflichtung aufgehalst, die maroden Banken des Landes vor der Pleite zu bewahren.

Allein die Anglo Irish Bank, das drittgrößte Geldinstitut der 4,4-Millionen-Einwohner-Insel, hat die Regierung bereits jetzt 23 Milliarden Euro gekostet. Sie soll langfristig abgewickelt werden. Dazu werden – ähnlich wie bei dem deutschen Pleitezwilling Hypo Real Estate (HRE) – die faulen Kredite der Bank an eine Auffanggesellschaft (Bad Bank) verkauft, die dann nach Ablauf der Kreditfristen Konkurs anmeldet. Den Verlust bezahlen die irischen Steuerzahler der kommenden Generationen: neue Staatsschulden müssen her, um die Banken zu retten. Zusätzlich ist Irland gezwungen, seinen chronisch defizitären Staatshaushalt zu finanzieren. Im letzten Jahr übertraf die Unterdeckung mit 14,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sogar die griechische Neuverschuldungsquote von 13,6 Prozent. In diesem Jahr wird eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 20 bis 25 Prozent des irischen BIP befürchtet. Damit wären zusätzliche Gläubiger für zirka 40 Milliarden Euro neue Schulden aufzutreiben.

Euro-Rettungspaket hat angestrebtes Ziel verfehlt

 Die jüngste Nachricht einer erfolgreichen Plazierung irischer Staatsanleihen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro trägt somit eher den Charakter verzweifelter Siegesmeldungen in einem bereits verlorenen Krieg. Der im Vergleich zu den bevorstehenden Finanzierungsschlachten lächerliche Bagatellbetrag wurde zudem mit hohem Aufwand erkämpft.

Für vierjährige Staatsanleihen mußte die Regierung exakt 4,767 Prozent Zinsen anbieten. Im August betrug dieser Satz nur 3,6 Prozent. Die Anleihen mit acht Jahren Laufzeit kosten nun sogar mehr als sechs Prozent Zinsen, im Juni waren es nur fünf Prozent. Zum Vergleich: Für deutsche Staatsanleihen erhält der Anleger magere zwei bis 2,5 Prozent. Auch Portugal ist vor kurzem die Emission neuer Staatsanleihen gelungen – ebenfalls mit gehörigen Zinsaufschlägen. Ähnlich wie die Iren müssen die Portugiesen je nach Laufzeit zwei bis vier Prozentpunkte mehr anbieten als der deutsche Staat. Und das bei gleicher Währung und Euro-weitem Finanzmarkt.

Die Gläubiger mißtrauen nach wie vor der Bonität der schwachen Euro-Länder. Das im Mai dieses Jahres unter Mißachtung der EU-Verträge und nationaler Gesetze beschlossene Euro-Rettungspaket hat sein Ziel, den Finanzmarktteilnehmern wieder mehr Vertrauen einzuflößen, total verfehlt. Inzwischen erreichen die Risikoaufschläge für griechische Anleihen wieder ihre damaligen Spitzenwerte. Irland und Portugal müssen sogar höhere Zinsen anbieten als vor der Euro-Rettungskampagne, die eigentlich auch diese Länder absichern soll.

Irland und Portugal sind damit in den gleichen Teufelskreis geraten wie Griechenland. Auf dem freien Finanzmarkt sind ihre Staatsanleihen nur verkäuflich, wenn ein hoher Zins geboten wird. Die Zinszahlungen müssen aber ebenfalls über Kredite finanziert werden. So steigt die Schuldensumme neben der Bankenrettungsverpflichtung und Haushaltsdeckung durch eine dritte Komponente – die steigenden Zinsausgaben. Die explodierende Schuldenhöhe verstärkt jedoch das Mißtrauen, ob die gewährten Milliardenkredite jemals wieder in voller Höhe zurückgezahlt werden. Der Zins steigt weiter, bis der freie Finanzmarkt als Käufer ausfällt.

So bleibt Irland und Portugal wie dem Vorreiter Griechenland nur noch der Rückgriff auf die Euro-Rettungskasse. Die aber ist gerade kräftig gestutzt worden. Von den 440 Milliarden Euro Garantien, die von den Euro-Ländern für den Rettungsfonds bereitgestellt wurden, haben die Rating-Agenturen nur 356 Milliarden mit der Bonität AAA anerkannt. Davon dürfen wiederum bloß 60 Prozent verliehen werden. So bleiben gerade einmal 255 Milliarden Euro übrig, um die sich neben Griechenland nun Irland und Portugal streiten können – wenn Spanien und Italien nicht auch noch hinzukommen.

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