© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Preußischer Rebell
Jubiläum: Das Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau feiert sein Zehnjähriges
Lion Edler

Auf zwei voll besetzten Etagen drängen sich die Menschen in die Wustrauer Gutskirche. Die spärlich vertretene Presse macht noch mal schnell ein paar Fotos von Ehrhardt Bödecker. Dann kehrt Stille ein, und über 400 Gäste warten gespannt auf die Festrede des ehemaligen Privatbankiers, der den 10. Geburtstag einer einmaligen Erfolgsgeschichte zu feiern hat: das Brandenburg-Preußen-Museum in der Ruppiner Ortschaft Wustrau.

Bödecker hat Grund zum Feiern, doch er macht auch seinem Ärger Luft, spricht vom Erfolg der amerikanischen und englischen Kriegspropaganda des Zweiten Weltkriegs, Preußen zwecks „Aufwiegelung der eigenen und verbündeten Bevölkerung und zur Demütigung ihres Gegners“ verächtlich zu machen. Vom Erfolg dieser Strategie vor allem „bei den deutschen Meinungsmachern in Politik, Wissenschaft und Medien“. Das, sagt Bödecker bei aller Freude über das Jubiläum doch mit einem nicht zu verkennenden Unterton der Bitterkeit, habe „zu einer fast pathologischen Selbstbezichtigung der Deutschen“ geführt, die an die Selbstgeißelungen im Mittelalter erinnerten.

Der heute 85jährige weiß das aus eigener Erfahrung, schließlich mußte er nicht selten gegen antipreußische Vorurteile anrennen, bevor er das Museum eröffnen konnte. Anfangs wollte Bödecker ein altes preußisches Fort im Berliner Stadtteil Spandau wieder herrichten, um es als Museum zu nutzen, doch die Behörden stellten sich stur. Nur unter der Bedingung, das Museumskonzept vorher zu prüfen, wollte das Land Berlin ihm das Gelände überlassen. Man wolle in Berlin kein Museum von Preußens Glanz und Gloria, hieß es vom damals CDU-geführten Berliner Kultursenat. Doch für Bödecker kam eine Unterwerfung unter die Auflagen noch nicht einmal entfernt in Frage. „Ich wollte keine Zensur“, sagt der frühere Vorstandsvorsitzende der Berliner Weberbank. Also wich Bödecker nach Wustrau aus, dem Ort des ehemaligen Gutssitzes des preußischen Husarengeneral Hans Joachim von Zieten, von dem auch ein Denkmal vor dem Museum zu besichtigen ist.

Am Ende gibt der Erfolg Ehrhardt Bödecker eindrucksvoll recht. Über 150.000 Besucher in zehn Jahren verzeichnet das von ihm gegründete Brandenburg-Preußen-Museum – angesichts der recht abgelegenen Lage ist das geradezu sensationell.

Keine Kosten und Mühen scheute Bödecker für sein Herzensanliegen, die Ehre Preußens zu retten: etwa 14 Millionen Euro flossen aus seiner Tasche in das Projekt, das Preußen ausdrücklich aus einem subjektiven Standpunkt heraus darstellen soll. Das heißt im Falle Bödecker: ausgesprochen positiv. So betont die Ausstellung etwa die Einführung der Religionsfreiheit 1608, die Abschaffung der Hexenprozesse 1728 und 1740 der Folter oder das Allgemeine Landrecht von 1794. Preußen, das soll dem Betrachter deutlich werden, stellte unter den europäischen Staaten die Avantgarde für Toleranz und Rechtsstaat dar. Zahlreiche Dokumente und Informationstafeln, eine Regimentsfahne, eine Kanone, eine umfangreiche Gemäldegalerie mit allen brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Königen und deutschen Kaisern sowie weitere Ausstellungsstückke führen den Besucher ein in die Welt eines Staates, der laut Bödecker „mehr Lob als Tadel“ verdient.

Den Weg zur zehnjährigen Jubiläumsfeier vergangenen Samstag fanden nur wenige Pressevertreter. „Die Medien ignorieren uns“, klagt Bödecker. Immer wieder wird er von Pressevertretern auf den „Militarismus“ Preußens hingewiesen. Bödecker kann darüber nur mit dem Kopf schütteln. „Was ist überhaupt Militarismus? Das hat mir noch niemand erklären können“, fragt sich der aus dem sächsischen Zwickau stammende Preußen-Liebhaber.

Doch es gibt auch Historiker und Politiker, die nicht das verdammende Preußen-Klischee wiederkäuen; etwa der Publizist Arnulf Baring, der als einer der prominentesten Gäste ebenfalls bei der Jubiläumsfeier in der Gutskirche anwesend war. Oder der ehemalige Brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), der zum Erstaunen vieler Teilnehmer die Festansprache hielt.

Ehrhardt Bödecker beschreibe Preußen zu Recht „zwischen Toleranz und Aufklärung“, bekennt der ehemalige Bundesverkehrsminister. Die Einführung von Religionsfreiheit und rechtsstaatlichen Prinzipien, die Abschaffung von Sklavenhandel und eine effiziente Verwaltung seien „bei weitem nicht alle Beispiele dafür, was Preußen Vorbildliches geleistet hat“. Doch Stolpe macht auch Einschränkungen und merkt an, daß ihm eine „ausschließlich humane Bilanz Preußens“ schwerfalle. Auf der einen Seite sei Preußen tolerant, aufgeklärt und fortschrittlich gewesen. Andererseits „stützte es sich aber in der Rückschau in allzu übermächtiger Weise auf das Militär“, moniert Stolpe. Unter Bismarck hätten es „kritisch-liberale Stimmen“ schwer gehabt gegen die „zunehmende Militarisierung der preußisch-kaiserlichen Gesellschaft.“ Allerdings stimmte Manfred Stolpe insofern wiederum Bödecker zu, als er das negative Preußenbild ebenfalls „ein Stück weit als Folge der Kriegspropaganda“ sieht.

Bödecker hätte sich dennoch lieber eine „Ja“-Rede statt einer „Ja-aber“-Rede über Preußen gewünscht, gibt er später bei der Pressekonferenz zu. Stolpe habe früher viel preußischer gesprochen. „Er mußte ein bißchen auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen“, ist Bödecker überzeugt.

Trotzdem kann Ehrhardt Bödecker zufrieden sein, und die erstaunlichen Besucherzahlen geben ihm Recht. Immer wieder berichten Museumsgäste, daß sie viele entscheidende Fakten über Preußen noch nicht wußten und nun durch das Museum zu einem positiven Preußenbild gekommen seien. Offenbar bewahrheitet sich noch immer, was bereits der preußische Ministerpräsident Otto Braun wußte: „Dem allgemein grassierenden Antipreußenkoller können wir nur mit Fakten begegnen.“  www.brandenburg-preussen-museum.de

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