© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Debatte um Islamisierung
Wilders, Sarrazin und unsere Schwäche
Dieter Stein

Noch immer brandet die Sarrazin-Welle über Deutschland. Inzwischen sollen 1,1 Millionen Exemplare von „Deutschland schafft sich ab“ gedruckt sein. Das erfolgreichste Sachbuch der Nachkriegszeit wird erst jetzt von Hunderttausenden Deutsche wirklich gelesen, über dessen aus dem Zusammenhang gerissene Zitate bislang in den Medien nur hysterisch diskutiert wurde.

Wie in einem riesigen Plebiszit signalisieren die Käufer des Sarrazin-Buches, daß es eine unbeantwortete Frage in der deutschen Politik gibt. Eine Frage, auf die die Angehörigen der politischen Klasse Antworten verweigern. In anderen europäischen Ländern sind etablierte Parteien, die sich arrogant dem Volkswillen widersetzen, längst durch erfolgreiche „Populisten“ unter Druck geraten; über Jahrzehnte festgefügte Parteiensysteme fielen in sich zusammen.

Außer in Deutschland. Doch auch hier wird immer drängender über ein Vakuum diskutiert, auf das Sarrazin verweist. So traf der von einem CDU-Dissidenten am Vorabend des deutschen Nationalfeiertages organisierte Auftritt des niederländischen Rechtsliberalen Geert Wilders auch ins Schwarze. Am selben Tag, an dem Hollands Christdemokraten die Duldung durch Wilders beschlossen, las dieser einen Steinwurf von der Berliner CDU-Parteizentrale entfernt der nach links driftenden deutschen Kanzlerin die Leviten. In seiner Rede, die die JUNGE FREIHEIT in großen Auszügen dokumentiert (siehe Seite 7), warf er Merkel die Verharmlosung der Gefahr einer Islamisierung Europas vor.

Wilders ist einer der erfolgreichsten Vertreter eines liberalen Anti-Islamismus, der einerseits die Angst breiter Bevölkerungsschichten legitimerweise artikuliert, andererseits in seiner Eindimensionalität am Problem vorbeigeht.

Denn das Problem für Europa sind nicht gläubige Moslems an sich, sondern ihre schiere Zahl, ihre dynamisch wachsende Quantität. Und: Die Stärke des Islams ist die religiöse Schwäche Europas. Arthur Moeller van den Brucks Feststellung, daß am Liberalismus die Völker zugrunde gehen, findet jetzt bittere Bestätigung. Freiheit ohne ethische, idealerweise religiöse Bindung, ist nicht zur Integration, allenfalls zur Zerstörung anderer Bindungen fähig. Der Feind ist somit nicht der Islam, sondern unsere eigene politisch-religiöse Schwäche.

Die islamischen Einwanderer treffen in Europa eben nicht auf in sich gefestigte, unhinterfragte Traditionen und Gesellschaften mit festem Glaubensfundament. Sie treffen auf Völker, deren Überlebenswille demographisch am Ende ist, die ihre eigene religiöse Substanz auflösen, deren Eliten infolge einer Kulturrevolution kapitulationsbereit sind. Nur deshalb entfaltet der Islam seine bedrohliche Kraft – weil uns hier vitalere, jüngere Völker entgegentreten, die uns unsere Schwäche wie in einem Spiegel vor Augen führen.

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