© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Der zaghafte Start des schwarzen Sheriffs
Hessen: Volker Bouffier agiert als Nachfolger von Roland Koch im Amt des Ministerpräsidenten bislang auffallend zurückhaltend
Tobias Westphal

Der Übergang von Roland Koch zum neuen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier verlief mehr oder weniger geräuschlos. Daß Koch abtritt, war für die Wähler, die Medien und die Parteifreunde eine größere Überraschung, als daß dessen langjähriger Innenminister und persönlicher Freund Volker Bouffier sein Amt weiterführt. Wer sich dennoch nach dem Wechsel schnell neue Akzente in der Landespolitik erwartet hatte, der wurde bislang enttäuscht.

Der 58 Jahre alte Gießener Volker Bouffier war elf Jahre Innenminister unter Koch und galt als „ewiger Kronprinz“. Dabei hatte er sich schnell den Namen „Schwarzer Sheriff“ erworben; als Innenminister und Sicherheitspolitiker stand er stets für eine Überwachung durch Rasterfahndung, Video- und Telefonüberwachung. Inner- und außerhalb der CDU gilt er als Mann für Recht und Ordnung – und als Konservativer. Wenige hat es daher gewundert, daß Parteichefin Angela Merkel kürzlich auf die Frage, wer den Konservativen das Gefühl vermitteln könne, daß die CDU ihre politische Heimat sei, den Namen Volker Bouffier genannt hat. Wahrscheinlich wird Bouffier auch deswegen auf dem Bundesparteitag im November der Stellvertreter Merkels im CDU-Bundesvorsitz werden. Er ist nach wie vor der Ansicht, daß die Konservativen in der CDU „ihre natürliche Heimat“ haben und das auch zukünftig so bleiben werde. Er selber wolle im Falle seiner Wahl eine konservative Position auch in der Bundespartei vertreten, kündigte er an.

In den ersten gut vier Wochen seiner Regentschaft hat Bouffier im wesentlichen Kochs Kurs fortgeführt. Der Sozialstaat wird nicht zur Disposition gestellt, aber die staatliche Fürsorge sollte niemand zum Anlaß nehmen, sich „vom Staat von der Wiege bis zur Bahre an die Hand nehmen zu lassen“. Bouffier bekannte sich zudem zur Atomkraft als Ergänzung zum Energiemix der erneuerbaren Energien. Auch möchte er jungen Menschen Mut machen, eine Familie zu gründen. In seiner Paradedisziplin, der inneren Sicherheit verspricht er den Hessen eine weiterhin konsequente Politik.

In der seit Wochen tobenden Integratonsdebatte hat sich Kochs Nachfolger dagegen bislang merklich zurückgehalten. Die Sportvereine seien Beispiele einer gelungenen Integration, hieß es beispielsweise zu diesem Thema. Laut Bouffier darf man erwarten, daß Menschen, „die sich freiwillig entschieden haben, in einem anderen Land zu leben, dieses Land mit seinen Gesetzen und Lebensweisen achten“, sagte er in seiner ersten Regierungserklärung.  Auch könne man erwarten, daß sie zum Wohlstand des Landes, von dem sie sich ja ein besseres Leben erhoffen, beitragen und sich von den Bewohnern des Landes nicht abgrenzten, sondern selbst zu einem Teil der Gemeinschaft werden wollen. „Dafür müssen sie nicht ihre Herkunft und Religion verleugnen, sollten aber auch nicht beabsichtigen, der angestammten Bevölkerung ihre Kultur und Religion aufzuzwingen.“ Es werde immer gelten: Wer sich in der Fremde immer wie ein Fremder verhält, wird fremd bleiben. Heimat werde hier nur derjenige finden, der diese Heimat annehme und sich auch klar zu ihr bekennt. Nur so könne ein neues Miteinander wachsen.

Ob Bouffier sich künftig wie Koch in der Bundespolitik den Ruf eines konservativen Flügelstürmers erwerben kann, ist nach den ersten Wochen im Amt alles andere als ausgemacht. Vielleicht ist diese Position in der Union aber auch gar nicht mehr gefragt.

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