© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Auszüge aus der Rede des Bundespräsidenten

„Wir feiern heute, was wir vor 20 Jahren erreicht haben: Einigkeit und Recht und Freiheit für unser deutsches Vaterland. Wir erinnern uns an jenen epochalen Tag, wie ihn ein Volk wohl nur ganz selten erlebt. (…)

Es gab Ängste und Widerstände. Vor allem im Ausland fragten sich viele, ob das gutgeht, wenn es Deutschland wieder gutgeht. Wer wollte ihnen das verdenken, nach den von Deutschland ausgehenden Irrwegen, Schrecken und Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. (…)

Unser Land ist offener geworden, der Welt zugewandter, vielfältiger - und unterschiedlicher. Alltag und Lebensentwürfe haben sich gewandelt. (…)

Manche Unterschiede lösen Ängste aus. Leugnen dürfen wir sie nicht. Trotzdem kann gar nicht oft genug gesagt werden: Ein freiheitliches Land wie unseres - es lebt von Vielfalt, es lebt von unterschiedlichen Lebensentwürfen, es lebt von Aufgeschlossenheit für neue Ideen. Sonst kann es nicht bestehen. Zu viel Gleichheit erstickt die eigene Anstrengung und ist am Ende nur um den Preis der Unfreiheit zu haben. Unser Land muß Verschiedenheit aushalten. Es muß sie sogar wollen. Aber zu große Unterschiede gefährden den Zusammenhalt.Vielfalt schätzen, Risse in unserer Gesellschaft schließen - das bewahrt vor Illusionen, das schafft echten Zusammenhalt. Das ist die Aufgabe der „Deutschen Einheit“ heute. (…)

Wenn mir deutsche Musliminnen und Muslime schreiben: „Sie sind unser Präsident“ - dann antworte ich aus vollem Herzen: Ja, natürlich bin ich Ihr Präsident! Und zwar mit der Leidenschaft und Überzeugung, mit der ich der Präsident aller Menschen bin, die hier in Deutschland leben. {…)

Wir sind Deutschland. Ja: Wir sind ein Volk. Weil diese Menschen mit ausländischen Wurzeln mir wichtig sind, will ich nicht, daß sie verletzt werden in durchaus notwendigen Debatten. Legendenbildungen, die Zementierung von Vorurteilen und Ausgrenzungen dürfen wir nicht zulassen. Das ist in unserem eigenen nationalen Interesse.

Denn die Zukunft, davon bin ich felsenfest überzeugt, gehört den Nationen, die offen sind für kulturelle Vielfalt, für neue Ideen und für die Auseinandersetzung mit Fremden und Fremdem. Deutschland - mit seinen Verbindungen in alle Welt - muß offen sein gegenüber denen, die aus allen Teilen der Welt zu uns kommen. Deutschland braucht sie! (…)

Zu allererst brauchen wir aber eine klare Haltung. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Paß, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland. (…) Gott schütze Deutschland.“

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