© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Im Bann der härteren Gangart
Frankreich: Trotz abgemilderten EU-Ultimatums droht neuer Ärger / Verschärfung des Ausländerrechts geplant
Friedrich-Thorsten Müller

Die Europäische Kommission hält in Sachen französischer Romapolitik den Druck auf Präsident Sarkozy aufrecht. Frankreich bekommt bis zum 15. Oktober Zeit, „die EU-Richtlinien über die Personenfreizügigkeit umzusetzen beziehungsweise einen diesbezüglichen Zeitplan vorzustellen“. Gleichwohl ist damit aber das weitaus delikatere Thema, daß Frankreich wegen der „gezielten Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe“ einem Vertragsverletzungsverfahren unterzogen werden sollte, bis auf weiteres vom Tisch. Die Kommisionsvizepräsidentin Viviane Reding konnte sich mit einer entsprechend härteren Gangart in der EU nicht durchsetzen. Nachdem zuvor Frankreich darlegen konnte, daß bei den bisher 554 Auflösungen illegaler Camps zu 80 Prozent französische Staatsbürger betroffen waren, ließ sich der Vorwurf gezielter Diskriminierung nicht aufrechterhalten.

Rechtsgrundlagen für Ausweisungen verbessern

Es ist aber nicht davon auszugehen, daß damit Präsident Sarkozys außenpolitsche Probleme aufgrund der französischen Ausländerpolitik kleiner werden. Zwar vermeldete der französische Einwanderungsminister Eric Besson sogleich, der Kommission heute schon nachweisen zu können, daß alle EU-Direktiven bereits in französisches Recht umgesetzt seien. Jedoch ist die französische Nationalversammlung zur Zeit dabei, Schritt für Schritt eine deutlich schärfere Gesetzgebung zum Ausländerrecht zu verabschieden.Diese soll zukünftig die Rechtsgrundlage für Ausweisungen auch von EU-Ausländern verbessern. So wird unter anderem die Möglichkeit beseitigt, durch die Aneinanderreihung dreimonatiger „Tourismusaufenthalte“ mit kurzen, vorübergehenden Ausreisen, de facto einen Daueraufenthaltsstatus zu erhalten, wenn nicht nachgewiesen ist, daß man für seinen Unterhalt selbst sorgen kann. Auch „agressives Betteln“ und kleine Diebstähle sind zukünftig Ausweisungsgründe.

Selbst im Regierungslager umstritten ist, daß man nach dem neuen Gesetz in besonders schweren Fällen (Polizistenmorden) zukünftig Einwanderern die französische Staatsbürgerschaft wieder entziehen kann. Darüber hinaus sieht das neue Ausländerrecht auch eine härtere Gangart für das Problem illegal über das Mittelmeer einreisender Gruppen vor.

Marine Le Pen erbost über Zitatenklau

Dies alles sind Maßnahmen, die in Brüssel und sonstigen internationalen Gremien mit Sicherheit auf Widerstand stoßen werden. Aber auch die Linke in Frankreich wird weiter versuchen, die gaullistische Regierung, die seit der Wirtschaftskrise eine harte Sparpolitik durchsetzen muß, mit diesem Thema unter Druck zu setzen.   

Nicolas Sarkozy hat 2007 die Präsidentenwahl mit der Ankündigung, der „Präsident der Kaufkraft“ werden zu wollen, gewonnen. Lediglich seine sicherheits- und ausländerpolitischen Ankündigungen hatten für die Wahlentscheidung noch ein ähnliches Gewicht. Da eine spürbare Verbesserung der Realeinkommen in Frankreich nicht absehbar ist, versucht Sarkozy im Hinblick auf die Präsidentenwahlen im Mai 2012 wenigstens in der Sicherheitspolitik zu punkten. Marine Le Pen, Tochter des Gründers des Front National, läßt ihre Mitarbeiter schon eine Liste der – wie sie sagt, bei ihr gestohlenen – Zitate der Regierung führen. Aber nur, wenn Präsident Sarkozy der Spagat gelingt, diese Politik nicht nur umzusetzen, sondern das Thema auf dem internationalen Parkett aus der Diskussion zu bringen, hat diese Rechnung eine Chance aufzugehen.

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