© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Vorbild Udo Jürgens
Hauptsache wandlungsfähig: Roland Koch offenbart sein ganz eigenes Verständnis von Konservatismus
Karlheinz Weissmann

Roland Koch hat ein Buch geschrieben. Das Buch heißt „Konservativ“. Volker Zastrow hat dazu in der FAS ein Interview mit Koch geführt. Das Gespräch ist irritierend. Denn Zastrow beharrt darauf, daß „konservativ“ nur eine inhaltlich bestimmte Politik genannt werden darf, während Koch sich jeder Festlegung entzieht und die Moderation der Umstände als „konservativ“ etikettiert.

Koch hat jedenfalls keinen Vorschlag zu machen, wie man die Gegenwart interpretieren, geschweige gestalten sollte. Sein Konservatismus ist formaler Natur: Er will den Ist-Zustand bewahren.

Nach Koch ist dieser „Konservatismus“ das Zukunftsmodell. Deshalb wird auch die Zahl der Kochschen Konservativen in der Unionsführung unter Merkels mildem Regiment immer größer, Männer und Frauen wie Koch, Hinhalter, Abfindungsformeln murmelnd, immer einen Sachzwang in Reserve oder den Verweis auf die Alternativlosigkeit.

Fairerweise muß man zugeben, daß das alles abzusehen war. Spätestens, als beim Großen Zapfenstreich aus Anlaß von Kochs Verabschiedung der Ehrengast Udo Jürgens erschien. Das Musikkorps der Bundeswehr intonierte sogar auf besonderen Wunsch des scheidenden Ministerpräsidenten ein Potpourri mit Jürgens-Titeln.

Sicher hat die Begeisterung für Udo Jürgens etwas Altbackenes, die man mit etwas Übelwollen als „konservativ“ bezeichnen kann. Aber die Ursache der Sympathie des Politikers für den Künstler liegt tiefer, nämlich in der Bewunderung für den Wandlungsfähigen. Wandlungsfähigkeit ist nach Kochs Meinung ein hervorstechendes Merkmal des Konservatismus, und insofern kann Jürgens als Idealtyp des Konservativen gelten. Ein Mann mit osmotischer Fähigkeit, sich den Zeitumständen anzupassen: vom Nicht-Beatle und Idealschwiegersohn („Merci Cheri“) zum progressiven Kämpfer gegen Vorurteile („Ein ehrenswertes Haus“), Radikalpazifisten („Helden“) und Vorreiter des Multikulturalismus („Griechischer Wein“) bis zum Lieblingsinterpreten eines Unionspolitikers der Episode Merkel.

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