© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Das Volkslied als Lehrmeister
Musik: Eine Erinnerung an Felix Woyrsch
Wiebke Dethlefs

Es ist immer wieder überraschend, mit welcher Verve die Musikwissenschaft bisher unbekannte Werke dritt- und viertklassiger Meister des Barock und der Klassik ans Licht bringt und sie als besondere Entdeckungen von Rang anpreist. Dagegen werden viele Werke weniger bekannter Komponisten der Spätromantik meist unter dem Begriff des Epigonentums für zweitklassig erklärt und erhalten damit kaum eine Chance, auch von mutigen Dirigenten einem objektiven Publikum vorgestellt zu werden

Zu der Vielzahl der Meister, die diesem Verdikt unterliegen, zählt Felix Woyrsch. Am 8. Oktober vor 150 Jahren im schlesischen Troppau geboren, wuchs er in Hamburg auf, wo er seit 1894 als Leiter des Altonaer Kirchenchores und als Organist an mehreren Kirchen tätig war. 1933 verlor der bekennende Sozialdemokrat Woyrsch alle seine musikalischen Ämter, 1944 verstarb er in Altona. Wenig wurde über den tiefreligiösen Menschen Woyrsch und seine kompositorische Philosophie bekannt. Er selbst vermied alle näheren Erläuterungen zu seinem Œuvre, innerhalb dessen sieben Symphonien, drei Opern, wie auch zahlreiche Kammermusik- und weitere Orchesterwerke im Mittelpunkt stehen.

Nach 1945 geriet er in Vergessenheit

Woyrschs musikalische Sprache möchte einesteils in der handwerklichen Solidität an Beethoven und Brahms (der ihn übrigens sehr schätzte) anknüpfen. In den Chorwerken, die einen nicht kleinen  Teil seines Schaffens ausmachen, greift er aber vor allem auf den barocken Formenschatz zurück, womit er sich Max Reger nähert, doch sich von diesem durch die Kraft des melodischen Einfalls  unterscheidet, wie es überzeugend die Kantate „Totentanz“ zeigt.

Woyrsch betrachtete das „liebe alte deutsche Volkslied“ als seinen „größten Lehrmeister“. Allerdings obliegt seiner Musik ein durchaus grüblerischer Ton, der sich zuweilen in leidenschaftlichem Aufschwung lösen kann, jedoch sich fast nie zu heiter-gelöstem Ausklang befreien kann.

Nach 1945 geriet Woyrsch durch die geschichtlich bedingten antiromantischen Tendenzen und einer daraus rührenden Überbewertung der „Neuen Musik“ wie viele andere Meister seiner Zeit (Wetz, Weingartner, Korngold) in Vergessenheit. Derzeit ist nur noch eine CD mit Klavierwerken (beim Label Aulos) von Felix Woyrsch erhältlich.

Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft e. V., www.p-w-g.de

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