© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Verlage in tödlicher Abwärtsspirale
„Medientage München“ diskutieren „Wert(e) der Medien in der digitalen Welt“
Bernd-Thomas Ramb

Die kommenden „24. Medientage München“ vom 13. bis 15. Oktober stehen unter dem Motto „Wert(e) der Medien in der digitalen Welt“. Die Ankündigung ist doppeldeutig: Gerade die klassischen Zeitungsverlage haben mit Umsatzrückgängen (2009: minus 0,63 Milliarden Euro) zu kämpfen, andererseits aber auch mit einem ideellen Wertverlust.

Die größten ökonomischen Probleme sind die sinkenden Werbeeinnahmen, der Auflagenrückgang der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften, die Zunahme „kostenloser“ Zeitungen, die explosionsartige Ausweitung der Internetinformationen mit einem harten Konkurrenzkampf zwischen den klassischen Zeitungsverlagen und den (überwiegend) öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Internetseiten-Anbieter und schließlich der Imperialismus der Internetlexika wie Wikipedia, die als Wissensvermittlungen das klassische Buchlexikon von Bertelsmann oder Brockhaus verdrängen.

Medien sind zudem immer weniger unabhängig: Die Auswahl der Inhalte steht heute nur noch selten im Ermessen unabhängiger Herausgeber und Journalisten. Die Nachfrager der Medien bestimmen den Inhalt.

Medien sind abhängig von ihren Werbekunden

Solange nur der Leser der Kunde des Medienanbieters ist und dies durch die volle Begleichung des Preises erweist, im klassischen Falle die Zeitung, die durch Abonnement oder am Kiosk bezahlt wird, so lange sind Umfang, Inhalt und Aufmachung des Medienangebots allein von der Reaktion des Lesers abhängig. Gefällt das Medium einem zunehmenden Kreis von Konsumenten, sind mehr Kunden bereit, den Preis zu entrichten, und umgekehrt.

Durch die Aufnahme von Werbeanzeigen in das Medienprodukt wird die puristische Verbindung zwischen Konsument und Produzent verzerrt. Der Werbeinserent tritt als Mitfinanzierer auf, der als Gegenleistung nicht nur die bloße Veröffentlichung seiner Werbung erwartet, sondern die erfolgreiche: Der Umsatz seines beworbenen Produkts soll steigen. Dieser Effekt aber kann auch durch den redaktionellen Teil des Mediums beeinflußt sein. Bei un- und außergewöhnlichen Beiträgen werden die „Mithaftung“ des Inserenten und damit eine Ansehensschädigung des beworbenen Produkts befürchtet.

Inwieweit sich der Einfluß von Werbekunden auf den Inhalt eines Mediums tatsächlich auswirkt, liegt im Bereich einer Grauzone. Offensichtlicher sind die Einflußnahmen auf die Werbewünsche anderer unwillkommener Inserenten, die dann von den Medienherausgebern abgelehnt werden. Konservative politische Parteien sind beispielsweise wiederholt mit dem Versuch gescheitert, Anzeigen in wichtigen Publikationen zu schalten. Vor allem in Wahlkampfzeiten.

Auch die Rundfunkanstalten drängen ins Netz

Die Mischfinanzierung der Medien über die Werbung befördert eine Vereinheitlichung des Zeitgeistes („Mainstreamisierung“). Dieser Verlust an Vielfalt der Medien ist auch ein Werteverlust. Andererseits erfordern stromlinienförmige Beiträge auch keine hohe Kunst des recherchierenden und analysierenden Journalismus. Die Entlohnung einer derart aufwendigen Arbeit können und wollen sich immer mehr Medienanbieter ersparen. Die Folge sind von Laien dilettantisch formulierte Beiträge, von anderen abgeschrieben oder direkt aus Agenturmeldungen übernommen.

Der Qualitätsjournalismus stirbt damit aus. Die Folge: Die noch zahlenden Medienkonsumenten springen ab, die Auflagen gehen zurück, und der Werbekunde wechselt zu „kostenlosen“ Medien, die insbesondere als Masseneinwürfe im Briefkasten landen. Das bringt nicht nur eine größere Verbreitung der Werbung, sondern spart auch Vertriebskosten. Bei den Druckmedien führt dies zu einer tödlichen Abwärtsspirale:  Der Kostendruck läßt die ohnehin schon niedrige Qualität des redaktionellen Teils immer weiter absinken, bis die Kostenlosigkeit der „Zeitung“ ihrer Wertlosigkeit entspricht.

Der Ausweg über die Internetzeitung senkt zwar die Vertriebskosten, der redaktionelle Aufwand jedoch bleibt. Dagegen bestehen auch die Konsumenten der Internetmedien überwiegend darauf, daß die Informationen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Ihre Kostenbeteiligung wird zudem durch die leichte Vervielfältigung des Mediums erschwert. Einer bezahlt, und viele erhalten kostenlose Kopien – die Musikindustrie kennt diese unlösbare Aufgabe seit langem. Spätestens hier setzt die Diskussion über Urheberrechte ein.

Das andere Elend der Finanzierung eines Qualitätsjournalismus im Internet ist die unfaire Konkurrenz zwischen privatwirtschaftlichen Zeitungsherausgebern und öffentlich zwangsfinanzierten Rundfunk- und Fernsehanstalten. Beide streben ins Medium Internet. Die einen im Räderwerk ökonomischer Zwänge, die anderen im Lotterbett staatlich zementierter Zwangsabgaben aller Haushalte. Die Duldung dieser Ungerechtigkeit hätte sich als Hauptthema bei der Erörterung des Werteverlusts der Medien in München angeboten. Wahrscheinlich paßte es nicht in eine politisch korrekte Programmgestaltung.

Foto: Gesamtauflage deutscher Tagespresse laut IVW: 2009 ist sie erstmals unter die Marke von zwanzig Millionen gerutscht

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