© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

„Eine Alternative für bürgerliche Wähler“
Der ehemalige CDU-Rebell René Stadtkewitz lud Geert Wilders nach Deutschland ein und flog aus seiner Fraktion.Nun will er eine neue Partei gründen: „Die Freiheit“ soll 2011 erstmals zu einer Wahl antreten.
Moritz Schwarz

Herr Stadtkewitz, ist „Die Freiheit“ die neue konservative Formation – Stichwort „Sarrazin“-Partei –, über die seit Wochen die Medien spekulieren?

Stadtkewitz: Bereits 2006 sagte ich im Interview mit Ihrer Zeitung, die Politik hat sich zu weit vom Volk entfernt. Eine Bundeskanzlerin, die meint, ein sehr hilfreiches Buch als „wenig hilfreich“ verurteilen zu müssen, noch bevor sie es gelesen hat, oder der parteiische Bundespräsident Wulff, der sagt, der Islam gehöre zu Deutschland, zeigen dies sehr deutlich. Wer den Islam zu Deutschland gehörig zählt, verkennt, daß Islam auch Scharia bedeutet, die selbstverständlich nicht zu Deutschland gehören darf. Immer mehr Bürger quittieren eine solche Haltung mit einem Abwenden von der Politik. „Die Freiheit“ soll einen völlig neuen Ansatz bieten.

Das heißt konkret?

Stadtkewitz: Wir wollen die Blickwinkel ändern und das Volk wieder in den Fokus der Politik bringen. Politik muß sich in erster Linie am Allgemeinwohl orientieren und die Frage beantworten, wo stehen wir in zwanzig oder dreißig Jahren. Mit „Die Freiheit“ wollen wir Politik machen, in der der Bürger einen anderen Stellenwert erhält.

Sie waren neun Jahre für die CDU Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. In einem langen Prozeß haben Sie sich von der etablierten Politik gelöst.

Stadtkewitz: Ich habe meinen Standpunkt im Grunde gar nicht so sehr geändert, sondern die CDU ist nicht mehr die Partei, in die ich 1996 eingetreten bin. Je intensiver ich mich mit den Themen Zuwanderung und Integration beschäftigt habe, je deutlicher wurde dies. Es ist ein schleichender Prozeß, den viel zu wenige versucht haben, aufzuhalten. So habe ich mich beispielsweise im Jahre 2008 sehr um eine interne Klausurtagung der CDU-Fraktion zu diesen Themen bemüht. Mir gelang es damals, die Publizistin Necla Kelek einzuladen, die einen sehr guten und differenzierten Vortrag zum Zusammenhang zwischen Islam und den Integrationsproblemen gehalten hat. Es war mein Ziel, daß wir uns mit den wahren Gründen für Integrationsverweigerung und den Konsequenzen daraus beschäftigen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam ist dafür unerläßlich. Soweit wollte die CDU dann aber trotz Versprechen des Parteivorsitzenden Frank Henkel nicht gehen.

Warum wurde das Versprechen nicht gehalten?

Stadtkewitz: Seit vielen Jahren bewegt sich unsere Gesellschaft nach links. Auch die CDU hat sich diesem Linksruck, der in den letzten zehn Jahren noch einmal an Fahrt aufgenommen hat, nicht widersetzt, sondern ist ihm gefolgt. Denken Sie nur etwa an die Berliner Erklärung vom Januar 2010, in der die Partei unter Angela Merkel ihren Willen zur Öffnung hin zum Multikulti-Milieu bekundet hat. Inzwischen beschleunigt die Union diesen Trend sogar.

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, Klaus-Peter Schöppner, sagte jüngst in dieser Zeitung, er sehe allerdings Zeichen einer konservativen Besinnung bei der Union.

Stadtkewitz: Das wäre dieser Partei und unserem Land zu wünschen, aber ich glaube nicht mehr daran. Ich halte das inzwischen auch für gar nicht mehr möglich, denn es haben sich mittlerweile zu viele konservative Personen zurückgezogen oder wurden gar zum Rückzug oder Austritt genötigt. Mit wem also sollte eine solche Besinnung noch stattfinden? Außerdem: In NRW hat die Union zuletzt eine Million Wähler verloren. Eine Million Wähler – das ist ein Signal! Geschehen ist aber nichts, der Kurs wurde nicht korrigiert. Fazit: Eine Kurskorrektur ist nicht gewollt, auch nicht wenn die Wähler fortlaufen. Vielleicht ist es sogar zu spät, denn das Vertrauen zu vieler Wähler ist längst verspielt. Der Weg der Union nach links war ja kein scharfer Haken, sondern ein Prozeß, und das gilt auch für den Weg zurück. Da müßte erst mal verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut werden. Deshalb würde eine scharfe konservative Kehrtwendung vermutlich zunächst auch gar keinen Erfolg beim Wähler bringen, weil die enttäuschten Bürger das der CDU zunächst nicht abkaufen würden. Ein langsamer, überzeugender Prozeß aber wäre fragil und könnte gegen die üblichen Widerstände bei zudem zunächst ausbleibenden Wahlerfolgen wohl kaum durchgehalten werden. Nein, ich glaube, die Chance wurde verpaßt. Die CDU hat schon solchen Strukturschaden genommen, daß sie fast dazu verurteilt ist, mutlose Politik zu machen bei dem Versuch, den Grünen hinterherzulaufen.

Und „Die Freiheit“ will für die CDU da potentiell eine Alternative sein?

Stadtkewitz: Diese Frage stellt sich jetzt nicht. Aber ich glaube, nach ihrem Linksruck muß sich die CDU von einer frischen bürgerlichen Kraft nicht bedroht fühlen. Vielleicht profitiert sie sogar. Denken Sie nur an Hamburg 2001: Der Antritt der Schill-Partei hat die Hamburger CDU gezwungen, viele ihrer Positionen zu korrigieren und der schwächelnden Partei unter Ole von Beust letztlich damit sogar zum Bürgermeisteramt verholfen. Wir haben die Gründung von „Die Freiheit“ in Berlin angekündigt und schon beginnt der CDU-Fraktionsvorsitzende etwa die Deutschfeindlichkeit an Berliner Schulen zu thematisieren und findet auch wieder deutliche Worte. Ob die Wähler es ihm abnehmen, ist eine andere Frage.

Die Schill-Partei allerdings erinnert daran, daß noch keine einzige alternative konservative Neugründung seit 1945 dauerhaft Erfolg gehabt hat. Warum sollte das bei „Die Freiheit“ anders sein?

Stadtkewitz: Eine Erfolgsgarantie gibt es nie. Ich sehe für ein solches Projekt sehr wohl die Risiken. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, weil der Weg, innerhalb der bestehenden Parteien klare Positionen einzubringen, gescheitert ist. Statt die Thesen von Dr. Sarrazin dankend zu nutzen, um die notwendige Debatte in die Parlamente zu tragen, ließ sich auch die CDU zur bekannten Affektreaktion hinreißen. Noch während die Debatte lief, wurde ich aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen, weil ich es wagte, den Niederländer Geert Wilders nach Berlin einzuladen. Spätestens jetzt war mir klar, daß an einer neuen Partei kein Weg vorbeiführt. Der Zuspruch, den wir bereits kurz nach der Ankündigung erhalten haben, bestätigt dies. Die Partei zum Erfolg zu bringen, wird nun die Aufgabe des Gründungsteams sein. Meine Erfahrungen in Parlaments- und Parteiarbeit werden hierbei hilfreich sein. 

Der niederländische Islamgegner Geert Wilders, den Sie vergangene Woche in Berlin zu einem Vortrag empfangen haben (JF 41/10), gilt den meisten Medien in Deutschland als „Rechtspopulist“, „Islamhasser“ und sogar als „Teufel“.

Stadtkewitz: So bezeichnen ihn vorrangig linke Meinungswächter, die nicht wahrhaben wollen, daß es heute wieder darum geht, die Freiheit zu verteidigen. Nicht die Religion, aber die Politik des Islams ist eine Gefahr, die unsere Schwäche ausnutzt. Ich habe Geert Wilders eingeladen, nachdem ich ihn in Den Haag besucht habe, weil ich davon überzeugt bin, daß es sich lohnt, mit ihm zu diskutieren. Das, was er den 540 Zuhörern in Berlin zu sagen hatte, hat den Einsatz gelohnt.

Ist „Die Freiheit“ quasi die deutsche Version von Wilders „Partei für die Freiheit“?

Stadtkewitz: Nein, wir haben uns für diesen Namen entschieden, weil er nach unserer Ansicht am besten zum Ausdruck bringt, wofür wir stehen. Die aus einer falschen Zuwanderungspolitik zunehmende Islamisierung bedroht unsere Freiheit ebenso wie etwa die Bevormundung der Bürger durch die politische Klasse. Es geht auch um Freiheit von einer ausufernden Bürokratie, und es geht um mehr Demokratie – etwa die Möglichkeit von Volksentscheiden auf Bundesebene nach Schweizer Vorbild.

Ist der Name nicht viel zu abstrakt und daher ungeeignet für den Wahlkampf?

Stadtkewitz: Warum?

Weil man sich unter „Freiheit“ politisch nichts Konkretes vorstellen kann.

Stadtkewitz: Freiheit ist kein abstrakter Begriff, sondern ein ganz elementares Grundrecht. Der Name ist leicht einprägsam. Aber es kommt dann natürlich darauf an, was im Wahlprogramm steht.

Ein gutes Wahlprogramm schützt nicht davor, beim Wähler unbekannt zu bleiben.

Stadtkewitz: Genau danach werden wir jetzt gefragt. Ein gutes Grundsatz- und später Wahlprogramm ist schon entscheidend. Aber vor allem bildet dies ja die Grundlage für zahlreiche Aussagen, die dann im Wahlkampf getroffen werden. Wir werden einen beschlußfähigen Entwurf in den nächsten Wochen fertigstellen.

Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011 wollen Sie mindestens fünf Prozent holen. Ist das wirklich realistisch?

Stadtkewitz: Es geht uns nicht nur um enttäuschte CDU-Wähler, sondern um alle bürgerlichen Wähler, die sich von den Parteien so nicht mehr vertreten fühlen. Wenn Sie sich anschauen, daß in vielen Parlamenten inzwischen weniger als fünfzig Prozent der Wahlberechtigten vertreten sind, dann macht dies das enorme Potential deutlich. Im Berlin lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl bereinigt um die ungültigen Stimmen gerade noch bei 56 Prozent. Abzüglich der Sonstigen sind damit nur 46 Prozent aller Wahlberechtigten Berlins im Parlament vertreten. Das ist doch eine alarmierende Situation!

Mit Republikanern oder der islamkritischen Bewegung Pro Deutschland (JF 30/10) wollen Sie nicht kooperieren. Warum nicht?

Stadtkewitz: Was soll es bringen, mit Parteien zu kooperieren, die von einer breiten Wählerschaft nicht angenommen werden. Wir sind kein Sammelbecken für Rückwärtsgewandte, sondern wir wollen ein Zukunftsprojekt sein. Wir wollen zeigen, daß der Erhalt unserer Werte nicht Vergangenheit, sondern Zukunft ist und nicht im Widerspruch zum Fortschritt steht. Die Pro-Parteien haben durch verschiedene Aktionen der sachlichen Islamkritik geschadet. Wer ausgerechnet Le Pen zu einem „Antiislamisierungskongreß“ einlädt, bestätigt eher das unsägliche Vorurteil, Islamkritiker gehören ins rechtsextreme Eck. Wenn die Pro-Parteien meinen, für ihre Politik ehemalige NPD-Funktionäre zu ihren Funktionären machen zu müssen, sind sie insgesamt nicht sehr glaubwürdig. Wenn wir heute von Links- und Rechtsextremisten gleichzeitig attackiert werden, zeigt dies, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Extremismus-Vorwürfe gegen Geert Wilders sind nicht weniger heftig, in Großbritannien bekam er sogar Einreiseverbot. Fürchten Sie nicht eine Schlammschlacht der Medien gegen Sie, während die Antifa Sie gleichzeitig von der Straße prügelt?

Stadtkewitz: Wer Geert Wilders Extremismus vorwirft, weiß nicht wovon er spricht. Statt ihn zu schützen, wurde ein Einreiseverbot in Großbritannien ausgesprochen, weil man die Sicherheit gefährdet sah. Nicht wegen Wilders, sondern wegen einer Handvoll Islamisten. Das Verbot wurde selbstverständlich für rechtswidrig erklärt. Die sogenannte Antifa ist ein loser Haufen von Linksextremisten, die tief in linken Parteien und Gewerkschaften verwurzelt sind. Bei Demonstrationen erscheinen sie nur deshalb so stark, weil sie regelmäßig von einem breiten Bündnis linker Parteien und Gewerkschaften unterstützt und von einer undurchschaubaren Förderpraxis finanziert werden. Was sie eint, ist der Kampf gegen die deutsche Identität. Wir aber werden uns von linken Faschisten nicht beirren lassen und auch in diesem Punkt für unsere Freiheit eintreten.

 

René Stadtkewitz, ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Am 30. Oktober 2009 trat der CDU-Parlamentarier nach 14 Jahren aus seiner Partei aus; Stadtkewitz kritisierte die Haltung der CDU gegenüber dem Islam in Deutschland. Er blieb aber Mitglied der Fraktion, deren baupolitischer Sprecher er zuletzt war. Wegen seiner Einladung an den Islamkritiker Geert Wilders wurde er jedoch im September 2010 ausgeschlossen (JF berichtete). Daraufhin kündigte Stadtkwitz an, im Oktober eine neue Partei „Die Freiheit“ (Logo rechts) zu gründen. Bis jetzt zählte er rund 3.500 Interessierte auf der Netzseite der Partei ( www.diefreiheit.org ) sowie etwa 2.500 positive Zuschriften. Nach der Wahl in Berlin 2011 sollen weitere Landesverbände folgen. Der Besuch Geert Wilders` in Deutschland (JF 41/10) wurde laut Stadtkewitz über Eintrittsgelder, Sponsoren und aus eigener Tasche finanziert. Geboren 1965 in Ost-Berlin, ist René Stadtkewitz Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens.

Foto: René Stadtkewitz (r.) begrüßt Geert Wilders zu dessen Auftritt in Berlin am 2. Oktober: „Ich habe Wilders eingeladen, weil es sich lohnt, mit ihm zu diskutieren ... Denn eine falsche Zuwanderungspolitik bedroht unsere Freiheit ebenso wie die Bevormundung durch die politische Klasse.“

 

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