© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Bruce Bawer. Der US-Liberale warnt vor der Islamisierung Europas und fällt in Ungnade
Der Rufer
Sverre Schacht

Bruce Bawer sorgt immer wieder für Empörung. Der US-Kulturkritiker, geboren 1956 in New York, gilt als der „umstrittenste schwule Autor in der modernen Geschichte“ (Jewish Tribune) und steckt voller Widersprüche. Er veröffentlicht sensible Gedichte über modernes Leben, aber auch politische Kampfschriften. Europa etwa, so Bawer, der sich als Liberaler versteht, leide am „Stockholm-Syndrom“ gegenüber dem radikalen Islam, den er in seinem bisher nicht auf deutsch erschienenen Buch „Während Europa schlief. Wie der radikale Islam den Westen von innen zerstört“ als „ungeheuerlich antiliberale Bewegung“ charakterisiert. Der ganze Kontinent befinde sich in einem Schlummer falsch verstandener Toleranz.

Es sind solch zugespitzte Thesen, die ihm in liberalen Kreisen Ablehnung bescheren und Rassismus-Vorwürfe einbringen, die verhindern, daß seine Werke preisgekrönt werden, obwohl sie bereits nominiert waren. Bawer entgegnet dem: Linksliberale ließen einfach keine Kritik zu.

Nachdem er anfangs fundamentale Christen ins Zentrum derselben gestellt hat, gilt seine Aufmerksamkeit jetzt dem Umgang der eigenen Klientel mit dem Islam. Dieser wirft er vor, sie identifiziere sich eher mit Radikalen, die potentiell Jagd auf „Schwule“ und Juden machen, als mit den eigenen Werten. Besonders aber attackiert er Tariq Ramadan (JF 13/06), den Schweizer Islamwissenschaftler und Autor, der – aus dem Dunstkreis der Muslimbruderschaft stammend – sich als Streiter für eine mehr oder weniger europäische Islamvariante versteht. Am Verhältnis der Medien zu Ramadan könne man den Grad ihrer Appeasement-Bereitschaft ablesen, so Bawer in seinem Internet-Blog (www.brucebawer.com), eine Bereitschaft, die auch in US-Medien erschreckend groß sei.

Islamkritikern steht Bawer naturgemäß gerne zur Seite, so führte er etwa ein Interview mit dem Niederländer Geert Wilders, der inzwischen in seiner Heimat wegen seiner Kritik am Islam vor Gericht steht. Oder er attackierte eine große niederländische Zeitung, die einen kundigen Islam-Studenten aus den USA im Telefon-Interview befragte, um diesen dann als „Ignorant in Sachen Islam“ zu beschimpfen. Bawer nahm ihn in Schutz und erklärte den Mechanismus der Verunglimpfung: „In westlichen Mainstream-Medien ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – das Wissen, das er (der Student) besitzt, ein verbotenes Wissen. Und so wird es durch eine verdrehte Orwellsche Alchemie auf magische Weise in den Seiten politisch korrekter Zeitungen in ‘Ignoranz und Voreingenommenheit’ umgewandelt.“ Inzwischen lebt Bawer in Oslo: „Der Hauptgrund, warum ich Amerika verließ, war protestantischer Fundamentalismus. Aber Europa ist im Begriff, einem noch alarmierenderen Fundamentalismus zum Opfer zu fallen, dessen Führer ihre US-Gegenspieler wie Amateure aussehen lassen.“

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