© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

„Feindschaft und Vernichtungswillen“
Finanzkrise: Eine Tagung über die vermutlich letzten Jahre des Euro und die Dämonie des Geldes / Rückkehr zum Goldstandard?
Fabian Schmidt-Ahmad

Krisis – das griechische Wort für Entscheidung – kann der Niedergang von etwas Überkommene bedeuten, aber auch die Chance für einen Neuanfang heißen. In diesem Sinne fand voriges Wochenende in Pforzheim eine Tagung der Freien Anthroposophischen Vereinigung über „Die letzten Jahre des Euro – Die Dämonie des Geldes“ statt. Zu Beginn wurde von dem Finanzexperten Bruno Bandulet die Krise des Euro nachgezeichnet, die im Frühjahr 2010 ihren bisherigen Höhepunkt erreichte.

Im zweiten Teil zeigte der Unternehmensberater Michael Schreyer monetäre Alternativen auf, die mit dem zu erwartenden Zusammenbruch des Euro-Systems verwirklicht werden könnten. Dabei bezog sich Schreyer auf Überlegungen des Anthroposophen Rudolf Steiner zum Geldwesen, welche dieser nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte und die Ergänzungen zum Gedanken der Sozialen Dreigliederung darstellen. Einer Sozialidee, die vor dem Hintergrund einer geschwächten EU erneut an Bedeutung gewinnen kann. Denn Brüssel konnte bisher keine unabhängige Macht neben sich dulden.

Bandulet sprach hier von einer Feindschaft der EU, die an einen „Vernichtungswillen“ grenze: „Eine Feindschaft gegenüber allem was klein ist, was organisch ist, auch was demokratisch verfaßt ist, gegen alles, was natürlich und historisch gewachsen ist. Egal, ob es souveräne Staaten sind oder eben auch nationale Währungen, in denen sich ja immer die gesamte Geldtradition und Kultur eines Landes widerspiegelt.“ Aus diesem Geist heraus sei das Wirken der EU zu verstehen, nicht aus ökonomischen Sachzwängen. Bandulet wies dezidiert nach, daß die Euro-Einführung eine rein politische Angelegenheit war.

Als Kronzeuge zitierte er den französischen Industriellen Jean Monnet, der als „Vater der Europäischen Gemeinschaft“ gilt: „Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden, ohne daß die Bevölkerung versteht, was geschieht. Dies muß schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand. Letztendlich führt es aber zu einer unauflösbaren Föderation.“ Eine Instrumentalisierung der Wirtschaft, die an den Marxismus-Leninismus erinnert.

Goldproduktion ist fest in angelsächsischer Hand

Die Spottbezeichnung „EUdSSR“ ist eine Reminiszenz daran. Die Proklamation eines zu erstrebenden Menschenbildes in der Quasi-Verfassung der EU (Lissabon-Vertrag) erinnere an den „Neuen Menschen“ des Sozialismus. In seltsamen Vertragskonstruktionen würden keine konkreten Ziele genannt, sondern der Integrationsprozeß sei zum Selbstzweck geworden. Sogar der Euro-Vorgänger Ecu lasse sich auf ein sowjetisches Vorbild zurückführen meinte Bandulet: 1991 wurde der sozialistische EG-Kommisionspräsident Jacques Delors von einem russischen Regierungsvertreter informiert, daß man das Rubel-Clearing-System auflösen werde, welches den Außenhandel der Ostblockstaaten (RGW/Comecon) regulierte. Ein bezeichnendes Entsetzen sei die Folge gewesen: „Aber wie konnten Sie so etwas abschaffen, wo wir uns doch von Ihrem System bei der Einführung des Ecu inspirieren ließen. Unser Ecu ist eine europäische Übernahme von dem, was Sie im Comecon taten.“

Wie sein sowjetisches Vorbild sei auch der Euro dem Untergang geweiht. In dieser Form werde die Kunstwährung vielleicht noch fünf Jahre überdauern, prognostizierte Bandulet. Ein Scheitern dieses Lieblingsprojektes der EU würde seiner Ansicht nach „in Europa die Tür aufstoßen für mehr Freiheit, für mehr Selbstverantwortung und auch für mehr Demokratie.“ Doch was wird auf den Euro folgen? Etwa ein neuer Goldstandard, wie der Edelmetall-Spezialist Bandulet nahelegt? Dieser Schritt hätte für Deutschland erhebliche Konsequenzen. Bandulet selbst zeigte auf, daß der Goldmarkt vor allem von britischen und US-Firmen beherrscht wird. Nicht nur der Handel, sogar die Goldproduktion ist fest in angelsächsischer Hand. Sollte sich daher nach einem Zusammenbruch der Papierwährungen (Fiat-Money, JF 31-32/08) ein neuer Goldstandard herausbilden, wären Länder wie Deutschland in ihrer Geldpolitik fremdbestimmt.

Doch wäre es in unserer hochkapitalistischen Gesellschaft überhaupt sinnvoll, für die Wertschöpfung den geldwerten Ausdruck in einer Ware zu suchen? „Das eigentliche Kapital der Deutschen steckt in ihren Köpfen“, meinte Bandulet. „Geld ist realisierter Geist“ war ein auf der Tagung häufig zu hörendes Zitat Steiners. Die Geldform der Zukunft könne daher nur in einer adäquaten Abbildung des geistigen Schaffensprozesses liegen. Das wäre dann eine Deckung, die im wahrsten Sinne des Wortes Goldwert hätte.

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