© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Schwimmbäder zu Schutzzonen
Integration: Mit einer Handreichung will die Berliner Schulverwaltung die Lehrer in der Hauptstadt auf den Umgang mit dem Islam vorbereiten
Fabian Schmidt-Ahmad

Eigentlich hätte es keinen besseren Zeitpunkt für die jetzt von der Berliner Schulverwaltung ausgegebene Handreichung „Islam und Schule“ geben können, als die derzeit laufende Integrationsdebatte. Dabei sollte die Broschüre schon längst an die Lehrkräfte verteilt werden. Doch das 24seitige Heft, das den „schulischen Alltag“ im Sinne eines „friedlichen und respektvollen Miteinanders“ regeln soll, erwies sich als ausgesprochen schwierig zu erstellen. Grund dürfte gewesen sein, daß sich im gleichnamigen Arbeitskreis selbst bereits bei der Abfassung wohl einige weder friedlich noch respektvoll zeigten.

Jedenfalls empörte sich Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall vor zwei Jahren über eine „mangelhafte Kompromißbereitschaft“ und eine „sehr gering ausgeprägte Diskussionskultur“ der Teilnehmer (JF 42/08). Da waren muslimische Frauenrechtlerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates schon längst hinausgeekelt. Was übrigblieb, zeichnete ein überaus rosiges Bild vom Islam. Was sich an Problemen zeige, sei als Trotzreaktion gegenüber der islamfeindlichen deutschen Gesellschaft zu sehen: „Viele junge Musliminnen tragen den Hijab als Symbol der positiven Selbstidentifikation mit ihrer Religion und als Protest gegen die negative Stigmatisierung des Islams in der deutschen Gesellschaft“, werden die Pädagogen über das Kopftuch belehrt. Was aber, wenn die Befolgung der rigiden islamischen Sozialordnung durch die Kinder und Jugendlichen nicht so ganz freiwillig erfolgt? Denn daß es diese Religion nicht so mit dem freien Willen hat, ist auch den Autoren nicht ganz entgangen.

Immerhin werden die Probleme mit dem Islam in der Handreichung zumindest erwähnt. Erfahrungen von Lehrern werden wiedergegeben, bei denen „muslimische Schüler und Schülerinnen Nichtmuslime zum Beispiel als ‘Schweinefleischfresser’ beschimpfen würden“ (JF 42/10). Dies gelte besonders „in Schulen und Klassen, in denen herkunftsdeutsche Schüler eine kleine Minderheit darstellen“.

Könnte es daher vielleicht sein, daß es sich bei dem Islam um eine aggressive Ideologie handelt, die nicht mit unserem Wertesystem kompatibel ist? Diffamierungen von Mitschülern oder Lehrern seien meist eher Ausdruck von Perspektivlosigkeit, pubertärem Geltungsbedürfnis und Autoritätsverweigerung, doziert die Handreichung. Nur wie man mit diesem „pubertären Geltungsbedürfnis und Autoritätsverweigerung“ umgehen soll, verrät sie dem Lehrer nicht.

Ein Zugeständnis nach dem anderen

Stattdessen machen die Autoren ein Zugeständnis nach dem anderen an den Islam, womit sie den Grundsatz der Gleichbehandlung nebenbei ad absurdum führen. Beispielsweise sollen vor Klassenfahrten Lehrer muslimische Eltern konsultieren – „eventuell mit Hilfe eines Dolmetschers“ – und dabei „klare Regeln“ über „islamkonformes Speiseangebot“ und „geschlechtergetrennte Schlaf- und Waschräume“ vereinbaren.

Daß sich in Deutschland lebende Moslems anpassen müssen, davon erfährt der Leser nichts. Stattdessen empfehlen die Autoren ernsthaft, die Schwimmbäder in eine Art Schutzzone umzuwandeln: „In einem solch geschützten Raum entfallen die islamischen Kleidungsvorschriften und religiöse Mädchen können dann auch ohne Kopftuch und in funktionaleren Sportkleidern agieren.“

Die ganze Hilflosigkeit der Broschüre und ihrer Autoren wird offenbar, wenn es um die nicht mehr zu übersehende Neigung mancher muslimischer Jugendlicher geht, ihrem Haß auf Homosexuelle einen gewalttätigen Ausdruck zu verleihen. Vorbilder müssen hier her, aber selbstverständlich keine Deutschen. Diese Funktion können „Boxer oder Fußballclubs wie Oktay Urkal und Türkiyemspor erfüllen, die sich in Kampagnen gegen Homophobie einsetzen“, schlagen die Verfasser vor. Was sie dabei übersehen: Urkal hat die Teilnahme an einer Schwulen-Kampagne längst bereut und steht ihr nicht mehr zur Verfügung. „Sie können sich Ihren Teil denken, warum“, raunzte sein Berater die taz an.

Es ist diese Hilflosigkeit der Handreichung, welche die meisten Pädagogen wohl mehr als alles andere bestürzen dürfte. Denn sie sind es doch, die jeden Tag die Islamisierung Deutschlands  unmittelbar im Klassenzimmer erfahren. Broschüren wie diese zeigen lediglich, daß sie alleine an vorderster Front stehen. Konfrontiert werden sie hier nicht mit lebenspraktischen Vorschlägen, sondern einem einzigen Hoffen auf ein Wunder, welches sie irgendwie zu vollbringen haben. Was den Umgang mit der uns fremden Kultur betrifft, empfiehlt die Handreichung hilflos-resümierend: „Pädagogen sollten dabei Denkprozesse anstoßen, aber die Jugendlichen nicht in eine Situation bringen, in der sie sich offen gegen tradierte Normen in der Familie stellen müßten.“ Anstoßen ohne anzuecken – und im übrigen Lehrer und Jugendliche alleine lassen. Warum die Integration gescheitert ist, darüber muß man sich nach Lektüre dieser Handreichung nicht länger wundern.

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