© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Die Basis der Union wird unruhig
CDU: Forderungen nach einer Kurskorrektur werden lauter
Ekkehard Schultz

Es rumort weiter deutlich an der Parteibasis: Auch auf der dritten Regionalkonferenz der CDU, die am vergangenen Freitag in Berlin stattfand, mußte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit deutlicher Kritik auseinandersetzen. Neben einer Abkehr vom Konservatismus sowie von den Grundsätzen einer christlichen Gesellschaft wurden der Unionsspitze die Mißachtung der Interessen eines größeren Teiles der Stammwählerschaft, unsoziales Verhalten und eine Beschönigung der Situation des Arbeitsmarktes vorgeworfen.

Dabei hatte Merkel in ihrer Rede vor rund 1.000 Mitglieder im Palais am Funkturm zunächst den multikulturellen Gesellschaftsidealen in Deutschland eine klare Absage erteilt. Gerade durch die jüngste Integrationsdebatte wäre noch einmal deutlich geworden, wie wichtig die Kampagne des damaligen hessischen CDU-Vorsitzenden Roland Koch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im Jahr 1999 gewesen sei.

Heute zeige sich, daß die damalige Gesetzgebung unter Rot-Grün die ohnehin bestehenden Probleme nur noch weiter verstärkt und ein zusätzliches Integrationshemmnis aufgebaut hätte. Mit Blick auf die Zuwanderungsdebatte betonte Merkel, daß Deutschland die Hilfe von ausländischen Spezialisten benötige. Auf der anderen Seite sei es aber ebenso wichtig, zunächst einmal heutige Arbeitslose in Deutschland zu schulen, zu qualifizieren oder durch sonstige Maßnahmen in das Arbeitsleben zurückzuführen. Einen vorschnellen Ruf nach weiterer Zuwanderung lehnte Merkel daher ab.

Vielen CDU-Mitgliedern aus Berlin und Brandenburg reichten solch grundsätzliche Feststellungen nicht aus. So forderte der Sprecher der Initiative „Linkstrend stoppen“, Michael Nickel, in der Aussprache Merkel dazu auf, die sogenannte „Berliner Erklärung“ der Partei zurückzunehmen. Mit Hilfe dieses Papiers, das der CDU-Vorstand im Januar 2010 beschlossen hatte, sollten Wähler aus dem Kreis der FDP, der SPD sowie der Grünen für die Union gewonnen werden. Tatsächlich habe die Erklärung vor allem das eigene Stammpotential verschreckt. Denn „links der Mitte hat die CDU nicht viel zu gewinnen“, kritisierte Nickel. Auf der anderen Seite könne das Vakuum im konservativen Spektrum der Partei bald gravierende Folgen haben. 

Nickel griff  auch den Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder, an. Dieser habe gesagt, daß die Bundeskanzlerin „nicht alle Flügel der Partei repräsentieren müsse“. Dies entspreche absolut nicht seiner Überzeugung. Gerade um ihrem Auftrag gerecht zu werden, müsse „die Bundeskanzlerin alle Flügel repräsentieren“, darunter selbstverständlich auch den konservativen. 

Aufmerksamkeit für Merkel-Kritiker

Wie Nickel erhielten auch mehrere Redner von der Berliner Parteibasis viel Applaus, die darauf hinwiesen, daß es unter den derzeit zwischen 35 und 42 Prozent Nichtwählern „mindestens zwölf Prozent konservative, heimattreue und patriotische Menschen“ gäbe. Gerade um diese Klientel müsse sich die Union viel mehr als bislang bemühen. Ansonsten wachse die Gefahr, daß zukünftig auch in anderen Bundesländern wie in Bayern freie Wählergruppen von der CDU abfallen und selbst erfolgreich kandidieren könnten. Es sei dringend notwendig, dieses Potential zurückzugewinnen, denn „das sind unsere Leute und keine Linken“.

Diese Stimmung, die auch  bei vorangegangenen Regionalkonferenzen zu beobachten war (JF 42/10), gibt der „Aktion Linkstrend stoppen“, die mittlerweile über 6.500 Unterstützer verfügt, weiter auftrieb. Neben dem Zuspruch vieler Teilnehmer der Konferenzen findet der permanente Protest gegen Merkels Kurs auch zunehmend Niederschlag in der Berichterstattung der Medien. Neben Erwähnungen in Zeitungen reichte es auch zu Berichten in den ARD-Tagesthemen und der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

Die CDU-Führung dürfte diese Entwicklung mit Argusaugen beobachten. Wächst der Unmut an der Basis weiter, kann sich Merkel mit Blick auf den CDU-Parteitag im November in Karlsruhe auf einen heißen Herbst einstellen.

Die Aktion Linkstrend stoppen im Internet: www.linkstrend-stoppen.de

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