© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Neue Weltordnung der Währungen
Geldpolitik: Der Wirtschaftsjournalist Daniel Eckert verkündet das Ende der Dollar-Ära / Der Euro ist eine Währung ohne Boden
Michael Wiesberg

Wenn nicht alles täuscht, dürfte das Buch des Wirtschaftsjournalisten Daniel Eckert, tätig unter anderem für die Tageszeitung Die Welt oder das Magazin Cicero, zu den wichtigsten Neuerscheinungen des Jahres gehören. Eckert legt nämlich so etwas wie eine Lageanalyse des weltweiten Währungssystems vor. In der Regel sind derartige Analysen mit Statistiken, mathematischen Berechnungen und ökonomischem Fachchinesisch verbunden, die Nichtökonomen die Lektüre und vor allem das Verständnis zumindest schwermachen, wenn nicht gar vergällen.

Eckert kommt ohne dieses Kompetenzgehabe aus und demonstriert, daß man auch komplexe währungspolitische Fragen so aufbereiten kann, daß sie allgemeinverständlich werden. Dies alles gelingt Eckert, ohne Abstriche am gebotenen Niveau seiner Ausführungen machen zu müssen. Mit anderen Worten: In diesem Buch findet der Leser eine selten gewordene, sachgerechte Synthese aus journalistischer und fachlicher Kompetenz, deren Lektüre keinen ohne Erkenntnisgewinn lassen dürfte.

Im Mittelpunkt von Eckerts Ausführungen stehen das absehbare Ende des Dollars in seiner Funktion als Weltleitwährung und die sich daraus entwickelnden Umbrüche an den internationalen Finanzmärkten. Wie konnte es zum Verlust der Hegemoniestellung des Dollars kommen? Eckert fokussiert hier vor allem das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den USA und China, das auf einer ungleichgewichtigen Arbeitsteilung basiert: Auf der einen Seite (USA) wird in erster Linie konsumiert, auf der anderen Seite (China) vor allem produziert. So konnte China im Laufe der Jahre zum größten Einzelgläubiger der USA heranwachsen (JF 15/10).

Die Devisenreserven, die Peking in Dollar angesammelt hat, betragen derzeit zirka 2,5 Billionen Dollar – genaue Zahlen werden nicht bekanntgegeben. Dies ist eine Summe, die nach Auffassung von Eckert „die größte Kriegskasse der Geschichte“ darstellt. Die Folge: Die Entscheidungen über „das Wohlergehen des Dollars“ fallen längst nicht mehr in Washington allein. Oder anders gewendet: Die Supermacht USA ist auf das Wohlwollen ihres größten Einzelgläubigers China angewiesen, soll der Dollar „über Wasser bleiben“.

Welche Konsequenzen damit verbunden sind, skizziert Eckert wie folgt: Die kommunistische Volksrepublik ist mittlerweile nicht nur in der Lage, Einfluß darauf zu nehmen, ob Washington politische Vorhaben umsetzen kann. Sie kann auch direkten Einfluß auf den Außenwert des Dollars nehmen, indem sie entweder US-Schuldtitel kauft, um den „Greenback“ zu schützen, oder eben verkauft, um den Dollar zu schwächen.

Hier wird transparent, warum Eckert von einem „Weltkrieg der Währungen“ spricht. Kurz und knapp konstatiert er: „Aber wer die Macht über Währungen hat, kann Wohlstand umverteilen, ohne eine einzige Division zu mobilisieren. In diesem Sinne ist Geldpolitik Weltpolitik. Heute mehr denn je.“ Das symbiotische Gebilde, das derzeit China und die USA bilden, von dem schottischen Historiker Niall Ferguson als „Chimerika“ bezeichnet, bringt Eckert so auf den Punkt: „Als Financier amerikanischer Defizite hat Peking eine enorme Machtposition erlangt, vor der nicht nur den USA und ihrer Wirtschaft, sondern auch dem Rest der Welt bange sein muß.“

„Größte Kriegskasse der Geschichte“

Bisher konnten die Chinesen kein Interesse daran haben, daß ihr Hauptabnehmerland, die USA, kollabiert. Das muß aber nicht so bleiben, sollten die geopolitischen Gegensätze zwischen den beiden Großmächten einmal offen zum Ausbruch kommen (JF 42/19).

Die dominierende Position, die sich Peking an den Finanzmärkten erobert hat, kann dann katastrophale Folgen zeitigen. Würfen die Chinesen in einer derartigen Situation ihre US-Devisenreserven auf den Markt, hätte dies nach Eckert die „Wirkung einer finanziellen Atombombe“. Auch Deutschland müsse „bange“ sein: „Pekings Devisenprotektionismus erlaubt es den Exporteuren des Riesenreichs, Konkurrenten sukzessive zuerst zu unterbieten, als nächstes auszuschalten und auf diese Weise einen strategischen Markt nach dem anderen zu erobern.“ Deutschland muß aber noch aus einem anderen Grund bange sein, nämlich aufgrund der Entwicklungen in der Euro-Zone in der Folge der Griechenlandkrise, die Eckert als „Einstieg in eine ganz andere Art von Europäischer Union“ kennzeichnet.

Aus seiner Sicht machten die Turbulenzen um Griechenland und andere EU-Defizitländer deutlich, daß der Euro „vor allem eine politische Währung“, eine „seidene Fußfessel für den europäischen Halbhegemon Deutschland“ ist, die man nicht zu verändern gedenkt, wie EU-Kommissar Olli Rehn am 9. Mai 2010, also exakt 65 Jahre nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, deutlich machte. Der Finne erklärte: Der Euro müsse verteidigt werden, „koste es, was es wolle“. Wenig optimistisch fallen deshalb im Kern Eckerts Prognosen für die Zukunft des Euro aus: „Solange die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kern- und Peripheriestaaten (der Euro-Zone) derart weit auseinanderklafft, ist der Euro eine Währung ohne Boden.“

Sparern empfiehlt Eckert deshalb, sich nach Alternativen zu den Papierwährungen umzuschauen. Hier hat unter anderem Gold in den letzten Jahren eine Renaissance als Wertaufbewahrungsmittel erlebt („privater Goldstandard“). Insgesamt sieht Eckert Gold auf einem „guten Weg“, vor dem Hintergrund des „Weltkriegs der Währungen“ zum „Metall des 21. Jahrhunderts“ zu werden.

Foto: Chinesischer Geldschein vor Euro und Dollar: Als Financier amerikanischer Defizite hat Peking eine enorme Machtposition erlangt

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