© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Lockerungsübungen
Ruhe an der Heimatfront
Karl Heinzen

Deutschland wird in den beiden kommenden Jahren wieder einmal als nichtständiges Mitglied dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angehören. Gemeinsam mit 14 anderen Staaten gilt es dann aufs neue, „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ zu schultern, die diesem Gremium zugedacht ist.

Was in der Theorie recht anspruchsvoll klingt, ist in der Praxis aber eine Aufgabe, der sich sogar Länder wie Gabun, Bosnien-Herzegowina oder Kolumbien bedenkenlos zu stellen wagen. Sie können sich nämlich darauf verlassen, daß das vermeintlich machtvollste Organ der Vereinten Nationen immer dann an seine Grenzen stößt, wenn es ernsthaft gefordert zu sein droht. Dies wiederum ist im wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen: Die fünf ständigen Mitglieder, Rußland, China, Frankreich, Großbritannien und die USA, können jeder für sich mit ihrem Vetorecht jede Entscheidung, die ihnen unangenehm ist, blockieren. Sollten sich ihre Interessen doch einmal decken, fehlt es dem Sicherheitsrat leider an Instrumenten, um seinen Resolutionen Nachdruck zu verleihen.

Es bedarf wohl eines neuerlichen Weltkrieges, um hier Änderungen zu bewirken.

An Anregungen, dieses Malheur zu beheben, mangelt es natürlich nicht. Auch Deutschland ist hier durchaus kreativ. So kursieren Ideen, den Kreis der ständigen Mitglieder um aufstrebende Mächte wie Brasilien oder Indien zu erweitern, der EU Sitz und Stimme im Sicherheitsrat einzuräumen, Afrika, Asien und Lateinamerika mehr Vertreter zu gönnen oder vielleicht sogar den privilegierten Fünf ihr Vetorecht zu nehmen. Da die aktuellen Regelungen im Prinzip seit 1945 Bestand haben, gehen Beobachter aber davon aus, daß es wohl eines neuerlichen Weltkrieges bedarf, um hier Änderungen zu bewirken.

Auch in Berlin hegt daher niemand die Hoffnung, in den kommenden zwei Jahren eine Reform der Vereinten Nationen anstoßen oder außenpolitisch etwas bewegen zu können. Allerdings läßt sich eventuell daheim für etwas mehr Ruhe sorgen. Die meisten Bürger lehnen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ab und wünschen einen Abzug der Truppen. Ihnen kann man nun wenigstens entgegnen, daß sich ein Land, das dem Sicherheitsrat angehört, ja wohl kaum aus einer Mission, die von diesem mandatiert wurde, verabschieden darf.

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