© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Orientierung gegen den totalitären Relativismus
Der St. Pöltener Theologe Josef Spindelböck präsentiert seinen unzeitgemäßen Beitrag zur katholischen Morallehre
Stefan Hartmann

Die Kirche ist „Mater et Magistra“ (Papst Johannes XXIII.) nicht bloß für ihre eigenen Gläubigen, sondern nach ihrem Verständnis für die gesamte Menschheit. Dies gilt um so mehr, als sich Anzeichen einer „Abschaffung des Menschen“ (Clive Staples Lewis) nicht nur aufgrund neuer biotechnischer Möglichkeiten mehren. Hans Urs von Balthasar begann ein Wort zur Enzyklika „Humanae Vitae“ mit der Frage: „Ist es wohl ein Zeichen, daß die Menschheit in die Endphase ihrer Geschichte eingetreten ist?“ Ethische und moraltheologische Orientierung ist immer mehr Sendung und Auftrag der Kirche, nachdem sich ein allgegenwärtiger Relativismus mit teilweise totalitären Tendenzen ausgebreitet hat. Eine leicht lesbare, knappe und klare Darstellung dieser „unzeitgemäßen“ katholischen Morallehre liegt nun vor.

Weisung für das praktische Leben des Christen

Josef Spindelböck, Moraltheologe an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten und ausgewiesener Kenner der Ethik Karol Wojtylas, des späteren Papst Johannes Paul II., bietet keine abstrakte „Fundamentalmoral“, sondern behandelt konkret die aufgrund der göttlichen Offenbarung ergehende moralische Weisung für das praktische Leben und Wirken des Christen. Dabei orientiert er sich am dritten Teil („Das Leben in Christus“) des „Katechismus der Katholischen Kirche“ und will insgesamt eine „katechetische Hinführung“ zum großen „Ja“ der christlichen Ethik zum Menschen und seiner Würde vorlegen.

Dies gelingt durch den verläßlichen Ausgang bei der Heiligen Schrift, bei Konzils- und Lehramtstexten und der Systematik des heiligen Thomas von Aquin. Hier finden sich klare Äußerungen über die Leidenschaften, das Gewissen, die allgemeinen und göttlichen Tugenden, das natürliche und göttliche Gesetz, Gottes- und Nächstenliebe. Spindelböck behandelt dabei die moralischen Fragen nicht schematisch, sondern läßt immer den personalen und die Freiheit des Menschen achtenden Aspekt im Vordergrund stehen – immer berücksichtigend, daß dieser zur Sünde abgleiten kann.

Alle moralischen Einzelfragen, die dann in einer durchsichtigen Behandlung des Dekalogs und seiner Gebote zeitaktuell angesprochen werden, finden ihre letzte Lösung in der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit und zur „vollkommenen Liebe“ (Lumen Gentium 40). Der Text verzichtet auf ein Sachregister, aber alle Antworten finden sich beim jeweiligen Gebot. Im Literaturverzeichnis hätten vielleicht noch Josef Piepers Tugendschriften Berücksichtigung finden können.

Spindelböck, der auch in der „Wiederentdeckung der Keuschheit“ einen Ausweg aus der sozialen Dekadenz im hypersexualisierten Zeitalter fordert, redet nie weitschweifig am Kern vorbei, biedert sich nirgendwo an und läßt die hohe Intention katholischer Moral erspüren: dem Menschen Wegweiser zu sein zu seiner letzten Bestimmung in Gottes Liebe und zu einem von personaler Achtung und Würde bestimmten Umgang mit seinem Mitmenschen als gläubiges, von der Kraft der Sakramente getragenes Glied der Kirche. Nur so, in und mit Christus, ist die Moral der Kirche letztlich verstehbar und lebbar. Sie kann irdisches und ewiges Glück eröffnen.

Josef Spindelböck: Christlich glauben und leben. Ein Leitfaden der katholischen Moral. Verlag St. Josef, Kleinhain 2010, broschiert, 112 Seiten, 8,90 Euro

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