© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Frisch gepresst

Wallenstein. Wohl keine Person seiner Zeit ist uns heute noch so vertraut wie der „schillernde Generalissimus“, der im Dreißigjährigen Krieg die katholische Liga meist siegreich vertrat und vom böhmischen Standesherrn zum mächtigen Kriegsunternehmer und Politiker aufstieg. Schuld daran ist nicht nur Friedrich von Schillers Drama, sondern vor allem die vielen Biographen, die sich seit Leopold von Ranke an dem „Friedländer“ versucht haben. Zwischen Hellmut Diwald und Golo Mann entwickelte sich Anfang der siebziger Jahre sogar ein kleiner Historikerstreit um die Einordnung des „Machtmenschen“ in seinen historischen Kontext. Der Innsbrucker Frühneuzeit-Historiker Robert Rebitsch verzichtet in seiner prägnanten Darstellung des 1634 ermordeten Karrieristen trotz des darauf anspielenden Untertitels „Biographie eines Machtmenschen“ jedoch darauf, sich dezidiert auf eine Seite dieser „zur Apologie neigenden Autoren“ zu schlagen. Immerhin deutet sein Fazit über den „in ökonomischen und rationellen Kategorien“ denkenden Herzog auf gewisse Relationen zur Diwaldschen Interpretation. (bä)

Robert Rebitsch: Wallenstein. Biographie eines Machtmenschen. Böhlau Verlag, Wien 2010, gebunden, 254 Seiten, Abbildungen,19,90 Euro

 

Ohne Gott. Könnten sich Agnostiker und Atheisten zur Wahl stellen, erreichten sie mit 34 Prozent der erwachsenen Deutschen mehr als die derzeitigen „Volksparteien“. Die Entchristlichung schreitet also im flotten Tempo voran. Unsere krisengeschüttelte Gesellschaft hätte also bald wenigstens keine „religiösen Probleme“ mehr. Dies sehen die Sozialwissenschaftler und Theologen des niedersächsischen Forschungsforums „Religion im kulturellen Kontext“ schon wegen der präsenten vier Millionen Muslime ganz anders. Allerdings ist hier der Ton auf neuprotestantische „fröhliche Zuversicht“ gestimmt. Konflikte zwischen „Kreuz und Halbmond“ seien lösbar. Zumal von Emnid die Frohbotschaft zu vernehmen sei, daß die junge Migrantengeneration in ihrer „großen Mehrheit“ die „Erinnerung an den Holocaust als eigene Angelegenheit“ betrachte. Das eröffne ganz neue Perspektiven für eine „tendenziell kosmopolitische Identitätsstiftung“, eine Zivilreligion, die dann allerdings weder Mohammed noch Christus benötigt. (ob)

Friedrich Johannsen (Hrsg.): Postsäkular? Religion im Zusammenhang gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2010, broschiert, 191 Seiten,24 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen