© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Wikileaks
Zweifelhafter Sieg
von Michael Wiesberg

Julian Assange, der umstrittene Gründer der Internetplattform Wikileaks, hat wieder von sich reden gemacht. Diesmal sind es rund 400.000 geheime amerikanische Dokumente über den Irakkrieg aus der Datenbank des Pentagon, die Wikileaks der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Sie zeigen, daß in den Jahren 2004 bis 2009 im Irak deutlich mehr Zivilisten als bisher angenommen unter zum Teil grausigen Umständen ums Leben gekommen sind.

Den amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und die US-Regierung bringen diese Berichte in eine heikle Lage. Maliki, der im immer noch regierungslosen Irak gerade um eine zweite Amtszeit kämpft, steht, angeheizt auch durch die Berichterstattung des Nachrichtensenders Al-Jazeera, im Verdacht, in die Aktivitäten schiitischer Todesschwadronen verstrickt gewesen zu sein. Diese Schwadronen sollen den Tod vieler Sunniten verschuldet haben. Falls sich dieser Verdacht erhärten sollte, kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Sunniten in letzter Konsequenz wieder zur Gewalt greifen.

Der Egomane Assange, von dem sich mittlerweile einige Mitarbeiter distanziert haben, bemüht sich, die Veröffentlichung der Dokumente als Sieg der Wahrheit hinzustellen. Für diesen Sieg werden aber womöglich erneut viele Iraker ihr Leben lassen müssen – mit unabsehbaren Folgen für die weitere Entwicklung ihres geschundenen Landes.

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