© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Eine Studie im Zwielicht
Meinungsforschung: Die Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit stößt immer stärker auf Kritik
Hans Christians

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die zu dem aufsehenerregenden Schluß kam, weite Teile der deutschen Bevölkerung würden nach rechtsaußen tendieren (JF43/10), stößt zunehmend auf Kritik. Mittlerweile wird auch ganz offen die Frage diskutiert, ob man die Veröffentlichung gezielt zu dem Zeitpunkt lanciert habe, in dem sich die Tagespolitik intensiv mit den Folgen einer verfehlten Einwanderungspolitik auseinanderzusetzen begann.

Zudem erscheinen einige Zahlen der Studie schlicht überzogen. So ist es wenig glaubhaft, daß angesichts der Tatsache, daß derzeit Meinungsumfragen zufolge ein rot-rot-grünes Bündnis bei den Wählern eine Zustimmung von 60 Prozent erzielen würde, urplötzlich ein Rechtsruck in der Bevölkerung stattfinden solle. Dabei ist die Studie wahrlich nichts Neues. Seit 2002 findet die Befragung regelmäßig statt – und jedesmal regte sich deutliche Kritik.

Politikwissenschaftlerin Viola Neu hat im vergangenen Jahr für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung eine Untersuchung zu Rechts- und Linksextremismus in Deutschland vorgelegt, und wundert sich über die Resultate der Konkurrenz: „Es gibt mal ein kleines Auf, ein kleines Ab, allerdings nichts, wo man einen klaren Trend in Richtung Zunahme oder Abnahme von Extremismus ersehen könnte.“ Die FES-Studie ist 180 Seiten stark, doch beileibe nicht alle Fragen sind  mit  Einzelergebnissen dargestellt. So läßt sich die von Studienleiter Oliver Decker während eines TV-Auftritts unterstellte „deutliche Zunahme an islamfeindlicher Einstellung in der Bevölkerung – von bisher etwa 34 Prozent auf über die Hälfte der Bevölkerung, die islamfeindlichen Aussagen zustimmen“, nicht aus den Tabellen nachvollziehen. Solch auffallende Zahlen sind für Viola Neu von der Konrad-Adenauer-Stiftung der Methodik geschuldet.

Man habe die Fragen allgemein gehalten und „versucht, jeden, der bei der Umfrage auch nur positiv gezwinkert hat, dazuzuzählen, so daß die Absicht, möglichst viele zu finden, aus dieser Methode deutlich herausscheint“. Noch deutlicher in seiner Kritik wird der Tagesspiegel. „Die Mitte des Landes wird als rechtsextrem diffamiert. Die Rechtsextremismus-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist nicht seriös, sondern eine offen ausgesprochene linke Kampfschrift gegen liberale und konservative Auffassungen und die hiesige Gesellschaftsordnung“, heißt es dort.

Keine Unterschiede zu anderen Staaten

Bei der Analyse der Ergebnisse würden sich erschreckende Widersprüche herauslesen lassen. Um den Befragten ein rechtsextremistisches Weltbild unterstellen zu können, wurden die Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus aufgeführt. Den Studienteilnehmern wurden für jede Kategorie Auswahlmöglichkeiten zur Beantwortung vorgelegt. Besorgniserregende Werte zeigen sich bei „Chauvinismus“

(19,3 Prozent) und „Ausländerfeindlichkeit“ (24,7 Prozent), bei den anderen Einstellungsdimensionen liegen die Werte trotz mitunter tendenziöser Fragestellungen deutlich unter zehn Prozent. So neigen nur sehr wenige zur Verharmlosung des Nationalsozialismus und zu sozialdarwinistischen Aussagen, die den Kern einer rechtsextremistischen Ideologie ausmachen. Auch bei dem Versuch,  ausländerfeindliche Einstellungen zu ermitteln, wurden mißverständliche Antwort-Optionen vorgegeben. So konnte man die These „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ nur pauschal mit ja oder nein beantworten.

Für die Konrad-Adenauer-Stiftung ist die Art und Weise ein Anlaß zum Kopfschütteln. Ein Beleg für ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild sei die Studie sicher nicht. Viola Neu ist der Ansicht, daß sich die Ergebnisse im Endeffekt nicht sonderlich von denen in anderen demokratischen Staaten unterscheiden würden: „Ein totalitäres Weltbild haben in der Regel zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung. Auch bei uns. Mehr läßt sich aus dieser Studie nun wirklich nicht herauslesen.“

 

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Für die jetzt in der Kritik stehende Studie „Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ wurden im Frühjahr mehr als 2.400 Menschen im Alter von 14 bis 90 Jahren in direkten Interviews befragt. Die Befragung schließt an die bisherigen Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung  „Vom Rand  zur Mitte“ (2006) und „Bewegung in der Mitte“ (2008) an, die anhand  von Fragebögen  vermeintlich rechtsextreme Einstellungen in Deutschland ermittelten.  Die aktuelle Studie untersucht die Entwicklung dieser Einstellungen in der Bevölkerung im Zeitverlauf der Jahre  2002 bis 2010. www.fes-gegen-rechtsextremismus.de

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