© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Im märkischen Sand verlaufen
Marcus Schmidt

So regelmäßig wie über eine Neugliederung der Bundesländer gestritten wird, so voraussehbar sind Debatten über den Umzug der in Bonn verbliebenen Ministerien nach Berlin.

Den Anstoß für die neuerliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Aufteilung der Ministerin auf die „Bundesstadt“ Bonn und die Bundeshauptstadt Berlin hat nun die Streitkräftereform gegeben. Der Vorsitzende der Bundeswehr-Strukturkommission, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hat am Wochenende vorgeschlagen, das auf die beiden Dienstsitze Bonn und Berlin verteilte Verteidigungsressort in der Hauptstadt zu konzentrieren und auf der Bonner Hardthöhe lediglich eine untergeordnete Behörde anzusiedeln. Von den bislang rund 3.300 Ministeriumsmitarbeitern sollen nur noch 1.600 übrigbleiben und im Berliner Bendlerblock untergebracht werden, dem derzeit noch zweiten Dienstsitz von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Bislang haben aufgrund des Bonn-Berlin-Gesetzes von 1991 noch fünf weitere Ministerien ihren Hauptsitz am Rhein (Gesundheit, Umwelt, Entwicklungshilfe, Landwirtschaft sowie für Bildung und Forschung).

Platz für weitere Ministerien ist im Berliner Regierungsviertel noch reichlich vorhanden. Derzeit wird auf dem Moabiter Werder, einer bislang als Busparkplatz genutzten Brachfläche zwischen Hauptbahnhof und Schloß Bellevue der Neubau des Bundesinnenministeriums vorbereitet, das bislang noch in einer angemieteten Immobilie residiert. Und auch direkt in Sichtweite von Reichstag und Kanzleramt wartet reichlich märkischer Sand auf eine Bebauung. Aber auch für Erweiterungsbauten der bereits in Berlin angesiedelten Ministerien ist Platz, um die Tausenden in Bonn verbliebenen Ministeriumsmitarbeiter aufzunehmen.

Doch wie nicht anders zu erwarten, das gehört schließlich zur Dramaturgie der immer wiederkehrenden Umzugsdebatte, regte sich sogleich Widerstand. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), dessen Auswärtiges Amt übrigens bereits komplett in Berlin sitzt, lehnte die Verlagerung des Verteidigungsministeriums ab. „Die Aufgabenteilung hat sich bewährt. Für einen Umzug alles neu zu bauen, käme den Steuerzahler nur viel teurer“, sagte er dem Kölner Stadtanzeiger. und verschwieg dabei, daß der doppelte Regierungssitz den Steuerzahler jährlich rund 23 Millinen Euro kostet. Ob es eine Rolle spielt, daß Westerwelle seinen Bundstagwahlkreis in Bonn hat? Unterstützung erhielt er übrigens von einem weiteren Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, dem Vorsitzenden des Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU). Das Verteidigungsministerium sei ein Schlüsselressort. „Wenn dieser Dominostein fällt, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die anderen Steine auch fallen“, warnte Bosbach.

 Angesichts dieses geballten Widerstands aus NRW dürfte die Diskussion schnell wieder versanden. Spätestens dann ist Zeit für eine neue Debatte. Zur Abwechslung könnte man ja mal wieder über die Neugliederung der Länder diskutieren ...

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