© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Terroristen mit deutschem Paß
Islamisten: Die Behörden sind zunehmend über radikale Koranschüler aus Deutschland alarmiert
Sverre Schacht

Nach dem amerikanischen Drohnenangriff Anfang des Monats in Pakistan liegen neue Informationen über die dabei getöteten Terrorhelfer mit deutschem Paß vor. Nicht nur die radikale Hamburger Reisegruppe aus dem Umfeld der einstigen Taiba-Moschee (JF 34/10) ist so erneut ins Visier der Ermittler gerückt. Von fünf toten Türkischstämmigen aus Deutschland sprechen pakistanische Behörden. Neben gut vernetzten Überzeugungstätern rückt jetzt eine neue Klasse Terrorhelfer ins Blickfeld – junge „Koranschüler“ aus ganz Deutschland und ihr familiäres Umfeld. Während Deutschland bislang 44 gefallene Soldaten und drei Polizisten in Afghanistan beklagt, bleibt die Zahl der ums Leben gekommenen Taliban-Unterstützer aus Deutschland Gegenstand von Mutmaßungen.

Bünyamin E. aus Wuppertal gehört mit Sicherheit zu ihnen. Er ist einer der drei bekannten Drohnen-Toten. Während deutsche Behörden den Tod der Terrorhelfer Naamen M. und Shahab D. nicht kommentieren, gibt es zum Tod Bünyamins einen Zeugen – seinen Bruder Emra (23). Die beiden Türkischstämmigen waren auf Drängen von Vater Hassan von Deutschland aus ins ferne Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan gereist. Sie sollten bei einem Verwandten, einem Prediger, den Koran studieren. Deutsche und türkische Bekannte bestätigten dies jetzt in einer makaberen Traueranzeige: „Auf der Suche nach Leben im Glauben wurde Benjamin Anfang Oktober durch eine Drohne in Pakistan aus dem Leben gebombt.“ Die Anzeige beginnt ausgerechnet mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten“. Er sei „höflich, fleißig und hilfsbereit“gewesen, heißt es in der Todesanzeige, die das Lokalblatt Stadtspiegel Velbert druckte. Der „junge Deutsche“ (Anzeige) hatte die Hauptschule abgeschlossen, den Realschulabschluß nachgeholt und durfte vordergründig als integriert gelten. Der überlebende Bruder brachte der Familie die Todesnachricht.

Daß Muslime ihre hier aufgewachsenen Jugendlichen in Afghanistan zum Terrorhelfer ausbilden, ist beunruhigend. Zweifel an der Unbedarftheit Bünyamins sind erlaubt: Ein bloßer Koranschüler hätte sich kaum mit Naamen M. und Shahab D., bekannt durch Kontakte zu den Terroristen des 11. September und Terrorvideos, in dem nun bombardierten Gehöft aufgehalten. Der Fall zeigt, daß Terror-Tourismus selbst bei Jugendlichen kaum zu unterbinden ist. Der  in Frankfurt zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilte Salih S. (28) absolvierte 2007 ungehindert eine Terror-Schulung in Wasiristan. Im Fall Fatih K. (31) gelang es den Behörden nur auf Umwegen, die Reise zu beenden. Fatih erwartet mit zwei weiteren Angeklagten aus dem Umfeld der verhinderten Sauerland-Attentäter seinen kommende Woche beginnenden Prozeß vor dem Berliner Kammergericht. Bis dahin sitzt er mit dem ungarischstämmigen Berliner Terrorhelfer Thomas U. in türkischer Auslieferungshaft. Die deutschen Behörden überwachten Fatih, nahmen ihm den Paß ab, um eine Ausreise ins Terrorcamp zu unterbinden. Im August gelang ihm genau das. Erst in der Türkei stoppten ihn Sicherheitskräfte.

Seine Mitangeklagten sind der 21jährige Alican T. und Filiz Gelowicz (29). Sie ist die Ehefrau des verurteilten Attentatsplaners aus dem Sauerland, Fritz Gelowicz. Die Bundesanwaltschaft wirft Alican und Filiz vor, die „Islamische Jihad Union“ (IJU) und die „Deutschen Taliban Mujahideen“ (DTM) bis Februar 2010 mit Tausenden Euro gefördert zu haben. Bei Filiz handelt es sich laut Staatsanwalt zudem um die Online-Dschihadistin „Fisebilillah“. Der deutsche Dschihadist Eric Breininger hatte dieser anonymen Größe der Internet-Terrorszene vor seinem Tod in Wasiristan per Video gedankt – im Namen der IJU. So brachte der Konvertit aus dem Saarland ungewollt Ermittler auf die Spur von Filiz alias „Fisebilillah“. Sie nutzte offenbar intensiv die bei Jugendlichen beliebte Internet-Plattform Youtube für die Anwerbung neuer Rekruten in Deutschland. Seit ihrer Verhaftung nahm die Internet-Aktivität von IJU und DTM im deutschen Raum ab. Über IJU und DTM hielten die jetzt Angeklagten Kontakt zur Reisegruppe aus der inzwischen geschlossenen Hamburger Taiba-Moschee – so schließt sich der Kreis.

Foto: Ausschnitt aus einem islamistischen Propagandavideo: Im Internet neue Rekruten geworben

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