© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/10 05. November 2010

Chinas gefährliche Gier nach Rohstoffen
Pekings derzeitige Monopolstellung bei Seltenen Erden gefährdet auch deutsche Technologiebranchen
Michael Manns

China, der schlafende Riese, ist lange erwacht. Das 1,3-Milliarden-Einwohner-Land hat Deutschland als Exportweltmeister abgelöst, es lechzt nach Rohstoffen aller Art. Der Durst des Drachen ist so groß, daß er auf den globalen Märkten einen förmlichen Kampf um Ressourcen ausgelöst hat. Die Folge: Verknappung dieser Produkte und explodierende Preise, die den Technologiebranchen in den Industrieländern die Luft wegnehmen.

Im Fokus stehen speziell die „Seltenen Erden“, eine Gruppe von 17 Metallen der Ordnungszahl 21 und 39 sowie 57 bis 71. China ist derzeit der größte Produzent (97 Prozent) der raren Metalle, der Rest verteilt sich auf Indien, Brasilien und Malaysia. Sie werden zwar nur in kleinen Mengen verwendet, sie sind aber unverzichtbar für Hochtechnologieprodukte – angefangen von Elektronik, Mobilfunktechnik und Monitoren bis hin zu Akkus, Autos, Rüstungsgütern und Windturbinen. Siemens braucht die Seltenerdmetalle besonders für die Magnetproduktion und Spezialanwendungen in der Licht- und Medizintechnik. Bosch nutzt Seltene Erden zur Herstellung von Magneten in Elektromotoren.

Die größten Verbraucher sind China, Japan und die USA. Bis in die neunziger Jahre gehörten letztere zu den wichtigsten Förderländern. Doch dann preschte China vor, weil hier billiger und ohne Umweltauflagen gefördert werden konnte. Seltene Erden sind teilweise sehr toxisch. Sie werden mit Säuren aus den Bohrlöchern gewaschen, zurück bleibt vergifteter Schlamm. Seit drei Jahren drosselt Peking den Export. Für einige Metalle soll es nun ein komplettes Exportverbot geben (Yttrium, Thulium und Terbium). Die New York Times vermutet, daß China so die Produktion von Schlüsseltechnologien im eigenen Land weiter aufbauen will. Vorkommen in Grönland, Australien oder Kanada sind noch nicht erschlossen. Die US-Firma Molycorp Minerals will nun die Förderung in Kalifornien reaktivieren.

Die Auseinandersetzung um die wertvollen Rohstoffe hat sich weltweit derart zugespitzt, daß die USA, die EU und Japan sogar eine Klage gegen China vor der Welthandelsorganisation (WTO) erwägen: wegen unerlaubter Ausfuhrbeschränkungen. US-Außenministerin Hillary Clinton warnte China vor Rohstoff-Machtspielen. Die Ausfuhr der Metalle müsse weiter sichergestellt werden: „Ich hoffe, daß dies bedeutet, daß der Handel mit diesen wichtigen Materialien uneingeschränkt und ohne Behinderungen fortgesetzt wird.“ Außerdem wollen die Wirtschaftsverbände dieser Länder auf dem G20-Gipfel in Seoul in diesem Monat eine entsprechende Verurteilung erreichen. Sie stellen eine „akute Bedrohung des freien Zugangs zu Seltenen Erden“ fest.

Die Wertschöpfung im eigenen Land halten

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat vorige Woche dazu eine Konferenz einberufen. „Es gibt bei Seltenen Erden starke Beeinträchtigungen beim Bezug“, klagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf (CSU). „China hat im Juni eine Absenkung seiner Exportquote für 2010 um 40 Prozent verfügt, die Exportquote ist aber schon zu über 72 Prozent ausgeschöpft.“ Die Beschränkungen seien industriepolitisch motiviert: China versuche damit, „die Wertschöpfung im eigenen Land zu halten“. Er erwartet bis zum Jahresende eine Preissteigerung für einige Metalle um das Fünf- bis Siebenfache. „In manchen Unternehmen gibt es bereits echte Probleme mit der Verfügbarkeit“, so Schnappauf. Der Chemiekonzern BASF hatte sich kürzlich in Peking beklagt, daß seine US-Katalysatorenproduktion wegen der Begrenzungen Schaden nehmen könnte. Siemens und Bosch sehen ebenfalls Engpässe.

Nach Überzeugung von FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle markiert die Entwicklung im Bereich der Seltenen Erden nur den Anfang eines Prozesses. Mit dem kommenden Wirtschaftsaufschwung werde der Kampf um Rohstoffe noch härter. Speziell China und Indien seien wieselflink unterwegs und sicherten sich überall Vorkommen an seltenen Bodenschätzen. Der Minister schlug vor, daß die Welthandelsorganisation WTO auf Mindeststandards im Rohstoffhandel achten sollte.

Brüderle will außerdem das Sammeln von Elektroschrott forcieren, um dem Rohstoffmangel zu begegnen. Zuviel landet auf der Deponie. In alten Elektrogeräten seien oft wertvolle Metalle enthalten, die händeringend gesucht werden. Brüderle kritisierte die niedrigen Aufarbeitungsquoten bei Elektroschrott und kündigte neue Gesetze an. Die Haushalte sollen Mülltonnen zur Wertstoffgewinnung bekommen: „Was technisch zum alten Eisen zählt, gehört noch lange nicht auf den Müll.“ In einigen Städten sammeln Kommunen und Privatunternehmen bereits gezielt Elektroschrott, weil die darin enthaltenen Metalle gute Preise bringen.

Der Kampf um die Rohstoffe mündete in der Vergangenheit nicht selten in kriegerische Auseinandersetzungen. So ging es 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg um Zucker. Der Zugriff zum „schwarzen Gold“ spielte eine wichtige Rolle im Krieg zwischen Irak, Iran und dem ersten Golfkrieg. Am heftigsten umkämpft sind die Rohstoffschätze in Schwarzafrika, wo seit Jahren die Bürgerkriege auch deshalb kein Ende nehmen, weil die Kriegsparteien gut am Geschäft mit raren Bodenschätzen (nicht nur „Blutdiamanten“, sondern etwa auch Koltan-Erz, aus dem das Metall Tantal gewonnen wird) verdienen und so ihre Waffenkäufe finanzieren.

Wie hemdsärmelig China vorgeht, zeigt der Zwischenfall bei den japanischen Senkaku-Inseln (JF 38/10). Nach der Verhaftung der Besatzung eines chinesischen Fischkutters, der ein Boot der japanischen Küstenwache gerammt hatte, kam es zu einem Stopp der Lieferungen von Seltenerdmetallen nach Japan. Sie endete erst, nachdem auch der Kapitän nach China ausgeflogen wurde.

 

Deutsche Rohstoffagentur

Als Reaktion auf den verschärften globalen Kampf um Rohstoffe wurde im Oktober die Deutsche Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gegründet. Kernstück der Agentur soll ein Rohstoff-Informationssystem sein. „Wir haben dabei alle Industrierohstoffe im Blick, werden uns aber ganz besonders auf Hochtechnologiemetalle konzentrieren, die ein Schlüssel für die Entwicklung wichtiger Zukunftstechnologien sind“, erklärte BGR-Präsident Hans-Joachim Kümpel. Der Wert der Rohstoffimporte Deutschlands lag im vergangenen Jahr bei etwa 84 Milliarden Euro. Davon entfielen knapp 22 Milliarden Euro auf Metalle und 62 Milliarden Euro auf Energierohstoffe. Bedarfsprognosen zeigen, daß bei Rohstoffen wie Seltenen Erden, Germanium, Titan, Kobalt oder dem Leichtmetall Lithium, das unter anderem für Batterien in Elektroautos benötigt wird, der Bedarf bald das derzeitige Angebot übersteigen wird.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover im Internet: www.bgr.bund.de

Foto: Das Seltenerdmetall Yttrium gehört zu den begehrten Rohstoffen:  EU, Japan und USA beklagen „unerlaubte“ Ausfuhrbeschränkungen

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