© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

Agenten auf Abruf
Geheimdienste: Dem Militärischen Abschirmdienst droht die Auflösung
Hans Christians

Ist er ein Relikt aus Zeiten des Kalten Kriegs oder doch noch unerläßlich für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland? Um die Zukunft des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) gibt es Diskussionen in der schwarz-gelben Regierungskoalition (Kommentar Seite 2). Auslöser der Debatte sind die Beratungen zum Haushaltsentwurf für das kommende Jahr. Medienberichten zufolge hat das Vertrauensgremium des Bundestags die Bundesregierung damit beauftragt zu prüfen, ob die Aufgaben des MAD fortan vom für die Auslandsaufklärung zuständigen Bundesnachrichtendienst (BND) und vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), für Inlandsaufklärung zuständig, übernommen werden können.

Der MAD ging aus einer im früheren Amt Blank unterhaltenen Verbindungsstelle zwischen den  Alliierten und der Bundesregierung hervor. Mit Wirkung vom 30. Januar 1956 wurde die Unterabteilung „Innere Sicherheit der Streitkräfte“ gebildet. Dieses Datum kann als das offizielle Geburtsdatum angesehen werden. Schon in der Vergangenheit hat es Anläufe gegeben, die finanzielle Ausstattung des MAD zu beschneiden. Um den Nachrichtendienst der Bundeswehr war es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Zur Zeit des Ost-West-Konflikts war die Behörde dagegen immer mal wieder für einen Skandal gut. So mußte der bei der Truppe beliebte Verteidigungsminister Georg Leber im Jahr 1978 höchst unfreiwillig aus dem Amt scheiden. Der MAD  hatte mehrfach „rote Zellen“ – oder was er dafür hielt – abgehört, um eine kommunistische Unterwanderung der Streitkräfte zu verhindern.  Die Agenten hatten bei einer großangelegten Observierungsaktion auch die Wohnung von Lebers Sekretärin verwanzt, ohne ihren Oberbefehlshaber auch nur zu informieren. Grundlos wurde Lebers Vorzimmerdame der Spionage für den Staatssicherheitsdienst der DDR verdächtigt. Als der Minister von der Lauschaktion erfuhr, war er entsetzt, behielt dieses Wissen aber zunächst für sich. Erst nachdem die Illustrierte Quick darüber berichtete, nahm der Skandal seinen Lauf und der Minister seinen Hut.

Kritik von der Opposition

 Nach dem Fall der Mauer und dem veränderten Aufgaben-Bild der Bundeswehr spielt der MAD zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung eher eine untergeordnete Rolle. Für die Koalition offenbar Grund genug, um über seine Abschaffung nachzudenken. Vor allem die FDP fordert seit Jahren eine generelle Verkleinerung der Geheimdienste. Bei der Opposition stößt dieses Ansinnen allerdings auf wenig Gegenliebe. „Das ist Unfug. Weder der Bundesnachrichtendienst noch der Verfassungsschutz können die militärspezifischen Aufgaben des Abschirmdienstes kompetent ausfüllen. Dafür wurden sie nicht geschaffen“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels. Tatsächlich gehört zu den zentralen Aufgaben des MAD die Überprüfung der Bundeswehr und bei Auslandseinsätzen die Überprüfung ziviler Kollaborateure. „Deswegen ist diese schwarz-gelbe Idee so absurd. Der MAD orientiert sich in seiner Arbeit an den ureigensten Bedürfnissen des Militärs, nicht aber an der inneren Sicherheit des Landes und schon gar nicht an der Auslandsaufklärung“, sagte Bartels dem Handelsblatt.  Letzteres sei ganz klar Sache des Bundesnachrichtendienstes.

Experten erkennen den Vorstoß im Vertrauensgremium als Teil einer Gesamtstrategie, den vor allem die FDP verfolge. Auslöser sei zunächst die Debatte um die Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate und um die Verkleinerung der Bundeswehr gewesen. Doch auch die anderen Nachrichtendienste müssen Sparmaßnahmen hinnehmen. Der BND und der Verfassungsschutz müssen zunächst „nur“ mit sechs Millionen Euro weniger auskommen, doch weitere Kürzungen drohen.

Die FDP fordert seit Jahren eine Zusammenlegung der Behörden und bezeichnet die bisherige Struktur als ineffizient. Beim MAD, so  urteilen Experten, würden die Proteste am geringsten ausfallen, daher habe man dort einen Vorstoß gewagt.

 

Militärischer Abschirmdienst

Derzeit erhält der MAD jährlich rund 70 Millionen Euro und beschäftigt etwa 1.300 Mitarbeiter. Zu  seinen Aufgaben gehören im Inland die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, und die Sammlung und Auswertung von Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht, wenn sich diese Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen des Bundesministeriums der Verteidigung richten. Darüber hinaus wirkt der Militärische Abschirmdienst mit bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die dem Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums angehören.

Foto: Die Fackel des MAD droht zu erlöschen: „Die Idee ist absurd“

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