© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

Vom Pianisten zum Politiker
Polen: Ignaz Paderewski zum 150. Geburtstag
Wiebke Dethlefs

Ignaz (Ignacy) Jan Paderewski ist sicherlich der bedeutendste spätromantische Komponist Polens. In einer seltenen Form vereinigte er Künstler- mit Politikertum. Musikliebhaber kennen ihn vor allem als legendären Pianisten und als Schöpfer des einst vielgespielten Menuetts in G (op.14), das als Salonstück Weltruhm genoß.

In seinem kompositorischen Werk finden sich unter anderem eine großangelegte leidenschaftliche Symphonie, die vor dem Ersten Weltkrieg ungemein beliebte Oper „Manru“ (1901), ein herrlich melodisches, auf polnischer Folklore aufbauendes Klavierkonzert (op.17) sowie Lieder und Stücke für Soloklavier, die insbesondere an die Volksmusik der Goralen aus der Hohen Tatra anknüpfen.

Berater von US-Präsident Wilson

Paderewski kam am 18. November 1860 in Korylowka in Podolien (heute zur Ukraine gehörig) zur Welt. Seine pianistische Laufbahn begann 1888. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs entschloß sich der leidenschaftliche Patriot jedoch, seine Künstlertätigkeit zu beenden und überall für ein Wiedererstehen Polens zu werben. Eine unermüdliche Rednertätigkeit ließ ihn in den USA bei polnischen Emigranten zu einer Leitfigur werden. Paderewski wurde politischer Berater Woodrow Wilsons, den er überzeugen konnte, wie wichtig für die Nachkriegsordnung ein polnischer Nationalstaat sei, der einen Zugang zur Ostsee besitzt. Mithin kann Paderewski als geistiger Vater des „polnischen Korridors“ gelten.

1919 wurde er in der Zweiten Polnischen Republik Ministerpräsident und Außenminister und nahm an den Verhandlungen in Versailles teil. Das andauernde innenpolitische Gezänk machte seine Künstlerseele indes mürbe, so daß er 1921 seine Ämter niederlegte und sich wieder seinem Pianistentum widmete. Wenngleich die lange künstlerische Pause nicht spurlos an seinem pianistischen Können vorübergegangen war, genoß er weiterhin solches Ansehen, daß er kurz vor seinem Tod den Ruf des „bedeutendsten lebenden Menschen Polens“ besaß. 1940 zum Präsidenten der Londoner polnischen Exilregierung ernannt, starb er während einer Konzertreise am 29. Juni 1941 in New York.

Paderewskis Kompositionen, die in Polen zum Repertoire gehören, sind in Deutschland wenig bekannt. Dabei könnte zumindest das schwungvolle Klavierkonzert auch hier viele Freunde gewinnen. Eine mitreißende Aufnahme gibt es mit der Pianistin Janina Fialkowska (Naxos 8.554020)

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