© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

Frisch gepresst

Ordensburgen. Im Kriegsjahr 1942 erschien ein atlasformatiger Prachtband der Mediävisten Karl Kasiske und Erich Maschke über die Burgen des Deutschen Ordens und des Schwertbrüderordens, reich illustriert, gedruckt auf bestem Friedenspapier. Von diesem Werk haben alle Autoren, die sich nach ihnen dem Thema zuwandten, erheblich profitiert. Auch Gunnar Strunz, Verfasser eines Reiseführers über Nord-Ostpreußen (JF 36/09), der zusammen mit dem Berliner Fotografen Wolfgang Korall die steinerne Hinterlassenschaft des Deutschen Ordens und des Schwertbrüderordens von Westpreußen bis nach Estland inspiziert hat. Der Band bietet die kühnen Lichtkompositionen Koralls, die leider gerade im russischen Teil Ostpreußens vorwiegend Ruinen wie Burg Ragnit oder nur noch Steinhaufen wie Lochstedt für die Nachwelt festhalten. Zu diesen, gleichwohl noch immer imposanten „einstürzenden Altbauten“ liefert Strunz knappe, instruktive Texte. Eine Reihe von Schwarzweißaufnahmen dokumentiert den zumeist bedeutend gepflegteren Zustand vor 1945. Bedauerlich ist, daß bei diesem schönen und empfehlenswerten Bildband selbst auf die sparsamste Bibliographie, also auf einige Literaturhinweise, verzichtet worden ist. (wm)

 

Finanzhai. Die erstinstanzliche Verurteilung zu einer fünfjährigen Haftstrafe dürfte den 33jährigen Investmentbanker Jérôme Kerviel der französischen Großbank Société Générale wohl weniger schmerzen als die Rückzahlung der Kleinigkeit von 4,9 Milliarden Euro an seinen ehemaligen Arbeitgeber. Immerhin wird ihm vorgeworfen, durch windige Transaktionen ohne Genehmigung ungedeckte Positionen von 50 Milliarden Euro aufgebaut zu haben, die das Kreditinstitut im Krisenjahr 2008 ordentlich ins Taumeln brachten. In seiner nun auf deutsch vorliegenden Verteidigungsschrift beklagt er in larmoyanter Art Befehlsnotstände und Praxiszwänge, die ihn erst zum Milliardenspekulanten gemacht hätten. Auch wenn man Kerviel die naive Rolle des „Rades im Getriebe“ kaum abnehmen kann, besticht seine intime Schilderung aus der zynischen Halbwelt des Investmentbankings durch den hohen Unterhaltungswert. (bä)

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