© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Spitze des Eisbergs
Jewish Claims Conference: Veruntreuung von 42 Millionen US-Dollar beschädigt den Ruf der Organisation
Ivan Denes

New York ist nach Jerusalem die zweite Hauptstadt des Judentums – es sollen in der Metropole am Hudson River zweieinhalb Millionen Juden leben. Brooklyn ist ein typisch jüdischer Bezirk. Hier gibt es den russisch-ukrainisch-jüdischen Kiez Brighton Beach, genannt auch „Klein Odessa“. Hier erscheinen mehrere russischsprachige Zeitungen. Und hier plazierte eine gewisse Valentina Romaschowa, Sekretärin in einem Anwaltsbüro, geschickt formulierte Rekrutierungsanzeigen. Eine Geschäftsfrau namens Dora Grande stellte daraufhin serienmäßig die notwendigen, aber gefälschten Dokumente her, die vermeintliche Holocaust-Opfer zu Wiedergutmachungszahlungen der Claims Conference (Conference on Jewish Material Claims against Germany) berechtigten.

Ein krimineller Ring in der Claims- Conference-Verwaltung nahm die scheinbar makellos fundierten Anträge und Dokumentationen entgegen und veranlaßte die betreffenden Zahlungen, wonach die Begünstigten einen Teil des Geldes an den Ring abgeben mußten.

Angezapft wurden zwei verschiedene Leistungsbereiche der Conference: der „Härtefonds“, der einmalige Zahlungen in Höhe von 3.600 US-Dollar (2.640 Euro) an Personen bezahlt, die vor dem deutschen Vormarsch in Richtung Osten geflüchtet waren, und der sogenannte Artikel-2-Fonds, der Renten in Höhe von etwa 411 Dollar monatlich an Personen zahlte, die eine gewisse Zeit im KZ interniert waren, in Ghettos lebten oder unter falscher Identität untergetaucht waren.

Wie die Staatsanwaltschaft des südlichen New Yorker Distriktes nun feststellte, wurden im Verlauf der vergangenen zwölf Jahre in betrügerischer Art und Weise insgesamt um die 5.000 Zahlungen von zusammen 18 Millionen Dollar aus dem Härtefonds geleistet und 658 Renten bewilligt, für die 24,5 Millionen Dollar ausgezahlt wurden – zusammen 42 Millionen US-Dollar.

Der zuständige Direktor für beide Bereiche war Semyon Domnitser, der aufgrund der Unregelmäßigkeiten bereits im Februar von seinem Posten entfernt wurde, nachdem die Claims Conference schon Ende 2009 Anzeige bei der New Yorker Staatsanwaltschaft erstattet hatte. Im Februar wurden dann drei Angestellte der Claims Conference entlassen. Grund:  Unterschlagung von  350.000 Dollar. Kurz darauf sprach Schatzmeister Roman Kent bereits von sieben Millionen Dollar.

Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Laut Aussage des Distrikt-Staatsanwalts Preet Bharara sind die Ermittlungen noch längst nicht abgeschlossen. Parallel dazu wurden 17 Personen verhaftet, darunter sechs Angestellte der Claims Conference.

Kein guter Leumund für die im Jahr 1951 gegründete Claims Conference, die formell als Treuhand für die Bundesregierung deren finanzielle Entschädigungsleistungen verteilen soll. Insgesamt sind über die Bücher der Conference geschätzte 70 Milliarden Dollar (Geld aus deutschen Leistungen und Erlöse aus dem Verkauf ostdeutscher Vermögenswerte) geflossen.

Nach eigenen Angaben verfügt die Conference zur Zeit über ein „Investment Portfolio“ von 1,08 Milliarden Dollar, das allein im vergangenen Jahr einen Gewinn von 33 Millionen Dollar erbrachte.

Angesichts dieser Fakten hat der frühere stellvertretende Präsident des Jüdischen Weltkongresses, der australische Tourismus-Großunternehmer Isi Leible, in der Jerusalem Post wiederholt heftige Kritik an der Conference geübt. Die Überheblichkeit der Führungsriege mit dem seit acht Jahren amtierenden Vorsitzenden Julius Berman an der Spitze, die mangelnde Transparenz ihrer Operationen und die Finanzierung von Aktivitäten, die nichts mehr mit dem Holocaust zu tun haben, während noch immer Tausende alte Opfer in Not leben, sind ihm ein Dorn im Auge.

Auch beanstandet Leibler, daß die Conference nach Bekanntwerden der Unterschlagungen Amerikas angesehenste PR-Firma Howard Rubinstein and Associates angeheuert hat, um für 500.000 Dollar „das Ansehen der Claims Conference wiederherzustellen“.

Foto: US-Staatsanwalt Preet Bharara: Die Ermittlungen sind noch längst nicht abgeschlossen

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