© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Hermann der Antideutsche
„Konkret“-Chef Gremliza wird siebzig
Werner Olles

Er selbst rühmt sich, Herausgeber „der ältesten und am weitesten verbreiteten linksradikalen Zeitschrift in Deutschland“ zu sein. Nun wird er siebzig, für andere Grund genug, sich zurückzulehnen und darüber nachzudenken, wie man die verbleibende Zeit möglichst sinnvoll nutzen kann. Zumindest bei einem Teil der Jubilare kommt dann eine gewisse Altersmilde beziehungsweise Altersweisheit zum Tragen. Nicht so bei Hermann Ludwig Gremliza.

Im Falle des am 20. November 1940 in Köln geborenen, wohlsituiert aufgewachsenen späteren Spiegel-Redakteurs (bis 1971) und heutigen Konkret-Herausgebers Gremliza wird es wohl eher darauf hinauslaufen, daß die publizistische Speerspitze der „Antideutschen“ in der extremen Linken sich in Gestus und Habitus auch weiterhin als Großmeister einer Selbstverdunkelung geriert, die man bei gutem Willen als deutsche Wertarbeit bezeichnen kann.

Jedenfalls wird man ihm zumindest seine biographische Konsequenz zugute halten können. Als leitender Spiegel-Redakteur gehörte er in vorderster Linie zu jenen Aufrührern, die sich mit Rudolf Augstein einen Kampf um redaktionelle Mitbestimmung lieferten  – und am Ende das Blatt verließen. In einem Zeitungsgespräch vor zehn Jahren erklärte Gremliza dazu: „Augstein wunderte sich damals sehr, daß ich sein Angebot, ich solle Chef des Bonn-Ressorts werden, was auch doppeltes Gehalt bedeutet hätte, wenn ich das Maul hielte, eine Zumutung nannte.“

Statt Karriere beim Spiegel zu machen, brachte Gremliza ab 1974 das dahinsiechende Konkret auf Vordermann, wobei ihn die jährliche Beurteilung durch den Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ nie gestört hat. Seine frühe Hinwendung zu den „Antideutschen“ versteht er immer noch als „Verteidigung der Zivilisation“, sein Aggressionslevel steigt, wenn es gegen echte oder vermeintliche Rechtsradikale geht. Das nimmt mitunter tragikomische Züge an, wenn er etwa bei einer Altherren-Party der DVU „Mordlust in den Fressen“ sieht oder seine grundsätzlich pro-israelische Haltung auch die amerikanischen Flächenbombardements im Irak-Krieg einschließt.

Daß die antiimperialistische Fraktion der extremen Linken ihn einen „Bellizisten“ schimpfte und aus der linkspazifistischen Volksgemeinschaft ausstieß, hat ihn von seinem leuchtenden Pfad nicht abgebracht. So verharrt er in der antideutschen Provinz und spielt Kinderkreuzzug. Bleibt zu wünschen, daß er weiterhin genügend Zeit für seine sprachkritischen Betrachtungen findet. Die sind in seinem Kampfblatt nämlich durchaus lesenswert.

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