© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Weltkriegsgedenken in europäischen Museen
Erziehung zu Passivität und Apathie
(ob)

Als gäbe es heimliche Absprachen, zelebrieren französische, britische und deutsche Kriegsmuseen am Beispiel der Interpration des Ersten Weltkrieges den Abschied von der „heroischen Gesellschaft“. Der Tübinger Kulturwissenschaftler Thomas Thiemeyer beobachtet dabei überall den „Aufstieg des Opfers“, der dem „Niedergang des Helden und der Ehre“ entspreche. In großem Einklang werde mit immer gleichen Bildern von Soldatenfriedhöfen und Kriegskrüppeln die Botschaft vermittelt: „Dieser Krieg war sinnlos.“ (Geschichte und Gesellschaft, 3/2010). Einer Analyse der französischen Historikerin Sophie Wahnich folgend, erkennt Thiemeyer, daß damit qua Moralisierung und Enthistorisierung das Konzept der Nation zugunsten einer „postmodernen Vision zur europäischen Versöhnung“ denunziert werde. Dieses Gedenken erziehe nicht zu „Aktivität und Wehrhaftigkeit“, sondern zu „Passivität und Apathie“. Nur in ihren Schauen zum Zweiten Weltkrieg wollen die europäischen Kriegsausstellungen mental wieder aufrüsten. Hier wahrten sie die „Frontstellung“ von 1939 bis 1945, fixierten „eindeutige“ deutsche Schuld und legitimierten den „gerechten Krieg“ mit dem „Symbol des Holocaust“. Damit sind zumindest die Rollen von Täter und Opfer im zweiten großen Weltenbrand noch klar definiert – und zwar europaweit. www.v-r.de

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