© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Frisch gepresst

Prussen und Preußen. Mat­thias Gretzschel, Kulturredakteur beim Hamburger Abendblatt, und die ZDF-Autorin Gisela Graichen haben sich dem kleinen Volk der Prussen zugewandt. Auf dem Gebiet des späteren Ostpreußen schon vor Christi Geburt heimisch, wurden die prussischen Stämme im 13. Jahrhundert durch den Deutschen Orden mehr oder weniger gewaltsam christianisiert. Welthistorisch wirkten sie fort als Taufpaten eines Staates, der sich im 18. Jahrhundert als europäische Großmacht etablierte. Der Versuch des Autorenduos, Preußens Geschichte aus prussischer Perspektive „populärwissenschaftlich“ aufzubereiten und dazu in einem zweiten Teil die Musealisierung ihrer dem ostpreußischen Acker abgewonnenen Hinterlassenschaft, der legendären Königsberger „Prussia-Sammlung“, bis heute nachzuspüren, ist weitgehend gelungen. Nur Kenner könnten en detail viel bemängeln. Das reicht von der Verwechslung Ernst Wicherts mit Ernst Wiechert bis zur grotesken Verzeichnung des Prähistorikers Carl Engel (1895–1947), dessen jüngst publiziertes Tagebuch den Autoren offenbar unbekannt ist. (wm)

Gisela Graichen, Matthias Gretzschel: Die Prussen. Der Untergang eines Volkes und sein preußisches Erbe. Scherz Verlag, Frankfurt/Main 2010, gebunden, 239 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

 

Erster Weltkrieg. Das Studium an der Australian National University in Canberra des Berner Historikers Daniel Marc Segesser tritt in seiner Arbeit über die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts „in globaler Perspektive“ permanent in Erscheinung. Gemessen am Einfluß auf das Welt- und Kriegsgeschehen steht diese Häufung etwas im Mißverhältnis. Dennoch ist Segessers Kompendium in der unverschämt günstigen Marix-Wissen-Reihe über den Ersten Weltkrieg lesenswert, nervt es doch nicht wie jüngere deutsche Darstellungen aus den Garküchen irgendwelcher TV-Historiker mit ihren auf Deutschland fixierten, meist noch schuldkomplexbeladenen Analysen. Der seit Fritz Fischer in Deutschland ewig wiedergekäuten Kriegsschuldfrage widmet sich Segesser nur am Rande. Neben der akkuraten Behandlung aller Kriegsschauplätze besticht die Übersicht vor allem durch die Kapitel zur Kriegswirtschaft oder zu „Kriegsverbrechen und Völkerrecht“. (bä)

Daniel Marc Segesser: Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive. Marix Verlag, Wiesbaden 2010, gebunden, 248 Seiten, 5 Euro

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