© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Es geht auch anders
Einwanderung: Deutschlands Nachbarn haben ähnlich Probleme – aber andere Lösungen
(JF)

Andere Länder, andere Regeln

Der Erfolg der „Ausschaffungsinitiative“ in der Schweiz (siehe Seite 8) hat bestätigt, daß eine restriktivere Einwanderungspolitik durchaus mehrheitsfähig sein kann, zumindest wenn man das Volk fragt.

Die deutschen Innenminister haben auf ihrer jüngsten Herbstkonferenz zunächst wieder eine weitere Liberalisierung beschlossen: Jugendliche ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland werden künftig nicht mehr abgeschoben, wenn sie sich gut integriert haben. Über ihr Schicksal müsse künftig nicht mehr im Gnadenverfahren entschieden werden, sie könnten eine „echte Bleibeperspektive“ bekommen, hieß es dazu.  Nur im Fall der illegal Eingereisten, die ihre Identität verschleiern, kündigten die deutschen Ressortchefs eine härtere Gangart an, indem Ausländerämter künftig enger mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammenarbeiten müssen.

Die sechs auf der Karte angeführten Beispiele geben Hinweise auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den ausgewählten Nachbarstaaten Deutschlands. Dabei spielen nicht nur unterschiedliche historische, sondern auch geographische Faktoren eine Rolle, auf die in einem schematischen Überblick nicht weiter eingegangen werden kann.

Auswirkungen auf die Einwanderungspolitik hat vor allem das Wahlverhalten der jeweiligen Bürger. Nachweislich in Dänemark, aber auch in den Niederlanden, in Frankreich sowie in Italien hat sich die Unzufriedenheit der angestammten Bevölkerung an den Urnen niedergeschlagen. Die Folge war ein Umsteuern der Politik – oder wenigstens die Ankündigung punktueller Verschärfungen im Ausländer- und Einwanderungsrecht.(vo)

 

Großbritannien

2009 sind 471.000 Ausländer eingewandert, davon 303.000 aus Nicht-EU-Staaten, wichtigstes Herkunftsland ist Indien

Studenten erhalten gar keine Sozialhilfe, Asylanten keine Mietzuschüsse – dafür kostenfreies Gesundheitssystem

Familiennachzug bei finanzieller Unabhängigkeit und gutem Leumund. Seit 29. November sind Englischkentnisse Pflicht.

Drei bis fünf Jahre Wartezeit, Mindestalter 18 Jahre, gute Englischkennntisse und ein guter Leumund

Abgeschoben wird vor allem bei illegaler Einreise, abgelaufener Aufenthaltserlaubnis oder abgelehntem Asylantrag.

Die Summe der Personen, die abgeschoben werden oder freiwillig gehen, wenn ihr legaler Aufenthalt endet (assisted voluntary returns), beträgt pro Jahr etwa 60.000 bis 70.000

 

Frankreich

Etwa 200.000 Personen wandern pro Jahr in Frankreich ein, über 50 Prozent von ihnen durch Familiennachzug. 2009 wurden 135.842 Ausländer eingebürgert, davon 85.100 aus Afrika. 

Ausländer können je nach Aufenthalts-dauer Sozialhilfe bekommen.

Familienzusammenführung nach 18 Monaten legalem Aufenthalt und Nachweis eines geregelten Arbeitseinkommens auf Mindestlohn-Niveau möglich. Ehen oder „zivile Partnerschaften“ zwischen Franzosen und Nicht-Franzosen müssen mindestens vier Jahre Bestand haben, dann wird eine zehnjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt (Einbürgerung nach vier Jahren bei Sprachkenntnis und Integrationsbereitschaft).

Franzose kann jeder werden, der fünf Jahre legal im Land lebt, ausreichende Kenntnis der Sprache sowie der „Rechte und Pflichten“ nachgewiesen hat und nicht vorbestraft ist

Wer kein Bleiberecht hat, muß Frankreich verlassen. Pro Jahr sollen Schätzungen zufolge etwa 25.000 illegale „Sans-papiers“ (Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung) abgeschoben werden. Von diesen leben allerdings zwischen 200.000 und 400.000 in Frankreich.

 

Niederlande

2009 kamen 31.840 Personen mit und 26.600 ohne „Erlaubnis zum vorläufigen Aufenthalt“, außerdem 14.900 Asylbewerber (40 Prozent von ihnen Somalis).

Asylbewerber erhalten während des Verfahrens Sachleistungen, ein Taschengeld und sind krankenversichert. Ausländer, die das Aufenthaltsrecht wünschen, bekommen während des Verfahrens keine Sozialhilfe.

Die (Ehe-)Partner sind mindestens 21 Jahre alt, Nachweis einer Wohnung und über ausreichender finanzieller Mittel zum Lebensunterhalt. 40 Prozent aller Zuwanderer kommen über die Familienzusammenführung.

Voraussetzung für eine Einbürgerung ist die Volljährigkeit sowie ein ununterbrochener legaler Aufenthalt von mindestens fünf Jahren auf niederländischem Territorium (einschließlich der Kolonien).  Die alte Staatsangehörigkeit muß aufgegeben, ein Integrationstest bestanden werden.

Wer über keinen legalen Aufenthaltsstatus verfügt oder sich als Flüchtling der Kontrolle durch die Behörden entzieht, wird festgenommen und abgeschoben. Festnahmen können durch die Fremdenpolizei oder die Gendarmerie erfolgen.

 

Dänemark

In Dänemark leben rund 250.000 Ausländer. Eine permanente Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen wurde abgeschafft.

Sozialhilfe gibt es erst, wenn das eigene Vermögen aufgebraucht ist, für Ausländer gibt es den vollen Satz erst nach minde-stens sieben Jahren legalem Aufenthalt.

Für die Familienzusammenführung galt bisher, daß die Ehepartner mindestens 24 Jahre alt sein müssen; dies wird nun durch ein Punktesystem (Ausbildungsniveau) ersetzt. Der im Land lebende Partner muß über Arbeit und Wohnung verfügen und umgerechnet 14.000 Euro auf einem Konto deponieren. Über 60jährige Angehörige dürfen nicht nachgeholt werden.

Der Erwerb der dänischen Staatsangehörigkeit ist nach acht Jahren legalem Aufenthalt möglich und nur, wenn keine Sozialleistungen in Anspruch genommen werden.

Abgelehnte Asylbewerber können bereits innerhalb eines Tages abgeschoben werden

 

Tschechien

2009 sind 40.000 Ausländer nach Tschechien zugewandert (2008: 77.800), mehrheitlich aus der Ukraine

Bei nachweisbarem Bedarf hat jeder legale Ausländer Anspruch auf Grund- und Mindestsicherung

Familienzusammenführung nach 15 Monaten legalem Aufenthalt möglich. Bei Eheleuten müssen beide Partner mindestens 20 Jahre alt sein.

Mindestens 5 Jahre legaler Aufenthalt im Land, Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit, keine Vorstrafen (vorsätzliche Straftaten); nachweisbare Kenntnisse der tschechischen Sprache, Nachweis von Sozial- und Krankenversicherung

Ausländer ohne gültigen Aufenthaltstitel, aber mit gültigem Reisepaß, bekommen eine Geldbuße sowie eine Ausreiseanordnung. Ausländer ohne gültigen Reisepaß kommen in Abschiebehaft und werden abgeschoben.

 

Italien

Insgesamt 4,5 Millionen Zuwanderer lebten 2009 legal in Italien.  300.000
Illegale wurden in den letzten zwei Monaten legalisiert.

Bei nachweisbarem Bedarf hat jeder legale Ausländer Anspruch auf Sozialhilfe.

Familiennachzug ist möglich, wenn der Lebensunterhalt mit eigener Arbeit gesichert und eine Wohnung nachgewiesen wird.

Nach Heirat mit italienischem Staatsbürger; nach 10 Jahren legaler Residenz, bei Flüchtlingen nach 5 Jahren, nach 3 Jahren, wenn in Italien geboren oder die Eltern schon italienische Staatsangehörige sind.

Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung erhalten bei Überprüfung eine Anzeige wegen Nichtbeachtung der Ausreiseverpflichtung; bei erneutem Antreffen erfolgt die Abschiebung. Wer als gefährlich eingestuft wird, kann durch den Präfekten sofort abgeschoben werden.

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