© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Napoleon, der Poet der Tat
Léon Bloy verklärt den Kaiser als Fingerzeig Gottes
Georg Alois Oblinger

Es fehlt ganz gewiß nicht an Büchern über Napoleon Bonaparte (1769–1821), auch nicht an Vorurteilen, Klischees und Karikaturen über den wohl schillerndsten Herrscher Frankreichs. Wenn sich kaum ein Buch mit der religiösen Seite dieses Mannes beschäftigt, mag dies damit begründet werden, daß Napoleon nicht gerade durch religiöse Überzeugungen oder Taten für Aufsehen sorgte. Dennoch finden sich in den von ihm überlieferten Schriften flammende Bekenntnisse zur Gottheit Jesu Christi.

Léon Bloy (1846–1917), der Konvertit und kämpferische Katholik, sah das Schicksal der katholischen Kirche immer eng mit dem Schicksal der französischen Nation verknüpft. So hat er nicht nur 1917 eine Monographie Jeanne d’Arcs verfaßt, die in ihrer Person einen kämpferischen Katholizismus und französischen Nationalstolz miteinander verbindet, sondern schon im Jahr 1912 eine Napoleon-Monographie, die jetzt seit nach langer Zeit wieder in deutscher Übersetzung vorliegt.

Léon Bloy mißt den Taten Napoleons eine prophetische Bedeutung zu und sieht in diesem Überwinder der Französischen Revolution einen „Fingerzeig Gottes“. Napoleon selbst schrieb auf Sankt Helena reflektierend über sein politisches Wirken: „Ich wollte handeln wie die Vorsehung.“

Bloy stellt Napoleons Geistesgröße heraus und sieht sogar in der zweimaligen Abdankung des Kaisers eine Figuration Gottes, der es nach dem Sündenfall des Menschen bereute, diesen geschaffen zu haben. Für Bloy ist Napoleon ein „Ebenbild Gottes“ und ein „Abbild des Sohnes“, der sich von den Menschen kreuzigen läßt.

Die Schriften Léon Bloys sind nie nüchtern und sachlich, sondern immer mit der Verve des religiösen Eiferers geschrieben. So darf man auch bei diesem Buch keine objektive Charakterstudie Napoleons erwarten. Hier schreibt ein Franzose, der vom größten französischen Herrscher begeistert ist; hier schreibt ebenso ein Apologie betreibender Katholik, der Gott in der Geschichte seines Volkes am Werk sieht; und hier schreibt jemand, der die Lebensgeschichte Napoleons „betend studiert“ hat. Er schreibt: „Man kann Napoleon nicht verstehen, wenn man in ihm nicht einen Poeten sieht, einen unvergleichlichen Poeten der Tat.“

Phil Schulze Dieckhoff (Hrsg.):Léon Bloy. Die Seele Napoleons.        Books on Demand, Norderstedt 2010, broschiert, 84 Seiten, 5 Euro

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