© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Gruß aus Rom
Rote Römer
Paola Bernardi

Nie ist Rom strahlender und funkelnder als zur Advents- zeit. Mag die politische und wirtschaftliche Krise auch derzeit das Land überrollen, doch rein äußerlich spüren weder die Römer noch die zahlreichen Touristen  etwas davon. „Bella figura“ machen, diese Parole beherrschen die Italiener ganz besonders gut in Krisenzeiten.

Rund um die Via Condotti, die  römische Nobelstraße zwischen Piazza del Popolo, Via del Corso und Piazza di Spagna drängen sich die Luxusläden: Gucci, Fendi, Armani, Bulgari, Hermes, Cartier. Hinter den geschmückten Fassaden der Palazzi ist reines Märchenland; Marmor, Messing und sanftes Licht stimmen andächtig wie in der Kirche. Und die Geschäfte gehen gut, allem zum Trotz. Besonders die Besucher aus dem Land der aufgehenden Sonne räumen in der Via Condotti derart ab, daß man hier vor allem japanische Verkäuferinnen eingestellt hat.

Roms Straßen sind bereits alle festlich geschmückt: So prangen in den Ästen der Platanen auf der Via Veneto winzige erleuchtete Kugeln, die wie surrealistische Schattengebilde wirken. Auf der Spanischen Treppe der Piazza di Spagna erhebt sich die traditionelle Weihnachtskrippe.

In den engen Seitenstraßen im historischen Zentrum sind rote Läufer über holpriges Pflaster ausgerollt. Dort erblühen rote Christstern-Büsche, oder goldverzierte Weihnachtsbäume schmücken die Gassen. Und wenn die Dunkelheit hereinbricht, funzeln an den Hauswänden Talglichter. Ja, in Rom weihnachtet es sehr, mag auch der Schnee fehlen. Nirgendwo auf der Welt springt  dem Besucher die Farbe Rot aus allen Anlagen entgegen. Rot ist zu dieser Jahreszeit die bevorzugte Farbe. Denn wer da Rot trägt, so der Volksglaube, hat Glück im kommenden Jahr.

Vergnügt pilgern die Römer zum Weihnachtsmarkt auf der Piazza Navona. In diesem Trubel aus Lichtern, Gerüchen und Lärm schiebt man sich vorbei an Bretterbuden, in denen es noch immer viele Köstlichkeiten aus der Kinderzeit gibt: So das klebrige Marzipanbrot aus Sizilien und die Torrone, das dickmachende Nougat. In der Altstadt begegnet man den Hirten aus den Abruzzen mit ihren Dudelsäcken und Schalmeien. Die anklagenden Weisen übertönen selbst den Verkehrslärm. Und über der Stadt hängt der Geruch von Holzfeuer, der aus zahlreichen Kaminen steigt, die jetzt in den marmorkühlen Palazzi entzündet werden.

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