© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Von zwei auf zehntausend
Gedenkbibliothek feiert ihr 20jähriges Bestehen
Christian Dorn

Was Regen für Pilze, das ist Berlin für Denkmäler“, resümierte der streitbare jüdische Historiker Michael Wolffsohn Ende November. Ort der Äußerung war die seit 1939 säkularisierte Nikolaikirche in Berlin-Mitte, wo in einer Feierstunde das 20jährige Bestehen der in direkter Nachbarschaft befindlichen Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus/Stalinismus gewürdigt wurde. Daß dieser Anlaß aus organisatorischen Gründen mit einer Diskussionsrunde zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal auf der Berliner Schloßfreiheit verknüpft wurde, zeigt indessen an, daß die einst aus privater Initiative gegründete Gedenkbibliothek bis heute eher eine Schattendasein fristet.

Die Idee zu dieser Bibliothek war im Herbst 1989 geboren worden. Die in der DDR verbotenen Bücher zur Aufklärung über Ursachen und Folgen des Sowjetkommunismus sollten gesammelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die beiden Grundpfeiler der Bibliothek, so erinnert sich die Slawistin und eigentliche Bibliotheksgründerin, Ursula Popiolek, waren Wolfgang Leonhards „Die Revolution entläßt ihre Kinder“ und Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“. Leonhard war es denn auch, der am 14. Dezember 1990 die „kleine ein- und erstmalige“ Spezialbibliothek mit einer Festansprache eröffnete. Die heute im „Lessinghaus“ residierende Gedenkbibliothek versammelt inzwischen über 10.000 Titel der Sach- und erzählenden Literatur.

Nicht minder wichtig ist der Ort als Treffpunkt für ehemalige und zumeist „namenlose“ Opfer der kommunistischen Diktatur, die bis heute im Schatten der NS-Verbrechen stehen. Daß die Erinnerung an die kommunistischen Verbrechen keine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit ist, hatte sich schon in den neunziger Jahren gezeigt, als die Bibliothek Rufmordkampagnen linker Medien ausgesetzt war. In deren Folge kam es zu zwei linksextremistischen Brandanschlägen und einem Wasseranschlag. Glücklicherweise ist diese Phase heute Geschichte.

Zur Vermittlung letzterer dienen insbesondere die bis heute über 500 Vortragsabende und Lesungen der Gedenkbibliothek.

Kontakt: Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus/Stalinismus, Nikolaikirchplatz 5-7, 10178 Berlin. Telefon: 030 / 2 83 43 27. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung. www.gedenkbibliothek.de

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