© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Ein Flaggschiff ist zum Beiboot geworden
„Rheinischer Merkur“: Heute noch Beilage der „Zeit“– morgen vielleicht ganz eingestellt?
Gernot Facius

Das Traditionsblatt Rheinischer  Merkur (RM) erscheint seit 1. Dezember als sechsseitige Beilage Christ und Welt der Zeit – produziert von einer Tochter der Katholischen Nachrichten-Agentur, aber ohne kirchliche Subventionen. Dem alten RM haben die Bischöfe, allen voran der Kölner Kardinal Joachim Meisner, das Lebenslicht ausgeblasen. Zu wenig bezahlte Abonnements (rund 13.000), zu teuer (4,5 Millionen Euro Zuschüsse pro Jahr) und inhaltlich nicht das, was ihre Finanziers von einer politischen Wochenzeitung dieses Zuschnitts erwarteten. Das neue Produkt gibt sich Mühe, den Bruch mit der Tradition nicht zu abrupt ausfallen zu lassen: Michael Rutz, der letzte RM-Chef, würdigt Heiner Geißlers Stuttgart- 21-Vermittlung als „Erfolg“, Alexander Kissler rügt die Kondom-Fixiertheit der Papst-Debatte, der Ex-Herausgeber Paul Kirchhof schreibt über Verantwortungssinn als erste Bürgerpflicht, und ein Schwarm von Kolumnisten soll die Attraktivität erhöhen. „Eine katholische Zeitung, auch für Protestanten“, lautet das hochgesteckte Ziel. Ob das nicht eher auf die berühmte Quadratur des Kreises hinausläuft?

Der alte RM ist gerade daran gescheitert, daß das treue Stammpublikum den Eindruck einer Verwässerung des genuin katholischen Profils gewann. Im Kielwasser des Dickschiffs aus Hamburg wird es schwer werden, diesen Makel zu beheben, zumal da sich Kapitän Giovanni di Lorenzo ein inhaltliches Vetorecht vorbehält. Nach zwölf Monaten hat der Zeit-Verlag zudem ein Vorkaufsrecht auf Titel und Rechte. Michael Rutz hat seinem Aufmacher in der letzten von ihm verantworteten Ausgabe den beziehungsreichen Titel gegeben: „Aufbruch in Sorge“. Die Bischöfe, tadelte er die früheren Eigner, hätten Alternativen zur Einstellung, „die vorhanden waren“, nicht geprüft. Persönlich braucht Rutz allerdings nicht bange zu sein: Kurz vor dem Rückzug der Bistümer wurde sein Vertrag bis 2013 verlängert. Wieder einmal bewahrheitet es sich: Unterm Krummstab ist gut leben.

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