© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Wolfgang Kubicki fällt aus dem Rahmen. Er sagt gerne, was er wirklich denkt.
Der Nahkämpfer
Ansgar Lange

Über mangelnde Berichterstattung konnte sich der „liberale Lautsprecher“ (Spiegel) Wolfgang Kubicki in den letzten Tagen nicht beklagen. Auf der Medienklaviatur versteht der 1952 in Braunschweig geborene Rechtsanwalt und Vorsitzende der schleswig-holsteinischen FDP-Fraktion zu spielen – auch wenn er noch nie ein Regierungsamt innehatte. Manche bemängeln, es sei eben leicht zu kritisieren, wenn man selbst nicht in praktischer Verantwortung steht.

An dem smarten und selbstbewußten Kubicki, der in dritter Ehe verheiratet ist, werden diese Vorwürfe aber abprallen. Er ist sein eigener Herr, was er auch dadurch unterstrich, daß er aus finanziellen Gründen nicht in die Kieler Regierung eintrat. Mitglieder der Landesregierung dürfen nämlich neben ihren Dienstbezügen keine weiteren Zuwendungen annehmen. Und so geben selbst diejenigen, die Kubicki „Hofnarrentum“, ein loses Mundwerk und starke Sprüche vorwerfen, zu, daß der Freund des abgestürzten Jürgen Möllemann nie von der Politik gelebt hat.

Daß Kubicki den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle kritisiert, ist nicht neu. Er hat dies jetzt nur im Gespräch mit dem Spiegel in besonders deutlicher Form wiederholt. Die FDP hat in seinen Augen aber „nicht nur ein Bundesvorsitzenden-Problem, sondern insgesamt ein Ausrichtungsproblem“. Hätte er den Zustand der Liberalen nicht mit der untergehenden DDR verglichen, hätte ihm wohl niemand zugehört, wird sich der Medienprofi gesagt haben.

Die FDP-interne Protestgruppe „Liberaler Aufbruch“ um den „neoliberalen“ Rebellen Frank Schäffler (JF 17/10) begrüßte jedenfalls, daß endlich jemand eine Grundsatzdebatte angestoßen habe. Ob Kubicki der richtige Typ für strategische Neuausrichtungen ist, werden zumindest die bezweifeln, die sich noch daran erinnern, daß er einer der geistigen Urheber des grandios gescheiterten „Projekts 18“ war.

Kubicki paßt als Politiker eigentlich nicht mehr richtig in die Zeit. Während Bundespräsident Wulff und Verteidigungsminister zu Guttenberg Meister der medialen Inszenierung auch ihres Privat- und Familienlebens sind, hält Kubicki beispielsweise Wahlkampffotos „mit netten Kindern“ für unter seinem Niveau. In einem langen Gespräch mit der Zeit redete er denn auch im März dieses Jahres frei von der Leber weg. Auf die Frage, warum er immer in Schleswig-Holstein geblieben ist, antwortete er in schonungsloser Offenheit: „Ich würde in Berlin zum Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock. Ich bin inzwischen zum dritten Mal verheiratet, und ich will auf keinen Fall auch diese Ehe ruinieren.“ Und zum Entspannen, verriet er außerdem, schaut der bekennende Macho gerne alte Kriegsfilme, etwa den Zweiter-Weltkrieg-Klassiker „Steiner. Das Eiserne Kreuz“. Vielleicht schöpft er daraus auch Anregungen für die Kunst des politischen Nahkampfs.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen