© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Deutschland schafft sich ab 2.0
Hans-Olaf Henkels Buch über den Euro-Betrug
Ronald Gläser

Es gab vor einigen Jahren diese Fernsehwerbung vom Handelsblatt: Ein Assistent in einer Bank soll für seinen Chef alles Wichtige in der Zeitung markieren. In der nächsten Szene ist der Bankmitarbeiter zu sehen, wie er ganze Absätze, ganze Artikel, ganze Seiten orange markiert. Dazu der Handelsblatt-Werbespruch: Substanz entscheidet.

Genauso geht es dem Leser des neuen Buchs von Hans-Olaf-Henkel. Er möchte einfach jeden Satz „markern“, weil dieses Buch klar und deutlich das Euro-Dilemma beschreibt, wie es wenige vor ihm getan haben. Er nennt die Rettungspakete für die Euro-Schlawiner einen „Putsch“, der deutschen Regierung wirft er „Untreue“ vor, den ausländischen Pleitepolitikern gar „Betrug“.

Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das so gar nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun hat. Henkel geißelt die Politische Korrektheit, erinnert an die Fälle Jenninger, Walser, Hohmann und andere. Sein Fazit: Wir leben in einer „Maulkorb-Republik“. In so einem Klima zählt der Volkswille nichts. Und die deutschen Politiker, die das eigene Volk hinters Licht führen, kuschen dafür ängstlich vor dem Ausland. Sie betreiben damit die eigene Selbstentmachtung.

Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie schlägt immer wieder den Bogen zu Thilo Sarrazin, dessen Thesen er befürwortet und der ja – was für ein Zufall! – Bundesbanker war. Sarrazins Abberufung wegen eines Sachbuches symbolisiert geradezu die Einschränkung der Unabhängigkeit der Bundesbank, was wiederum symptomatisch für den Niedergang des Euro ist. Hier trifft der in anderen Zusammenhängen oft dumm dahergeplapperte Satz, alles hänge mit allem zusammen, ausnahmsweise mal voll zu.

Henkel hat vor einem Jahr das Buch „Die Abwracker“ vorgelegt, in dem er die ganze Unfähigkeit und Dummheit unserer politischen und wirtschaftlichen Eliten gebrandmarkt hat – damals fokussiert auf die Wirtschaftskrise. Jetzt knüpft er daran an, nicht zuletzt mit dem Kapitel „Die Rückkehr der Abwracker“. Diesmal geht es um die Währungskrise, und wieder schlägt Henkel den ganz großen Bogen – von der Einführung der D-Mark 1948 angefangen über die törichte Währungsunion mit der Ostmark 1990 bis hin zur heutigen Sackgasse.

Henkel macht sehr konkrete Vorschläge für die Neugestaltung der Euro-Zone. Die Südländer sollen einen Weich-Euro bekommen, während die Nord-Länder eine harte Währung erhalten, einen Nord-Euro sozusagen. Die Aufteilung ist nötig, weil die Mittelmeeranrainer wirtschaftlich mit uns Nordeuropäern einfach nicht mithalten können – und wollen. Henkel: „Es ist doch leicht einzusehen, daß die Zusammenlegung von, sagen wir, Leistungssportlern und Fußkranken zu keinem positiven Ergebnis führen kann – die Lahmen werden nicht schneller, aber die Schnellen dafür langsamer.“

Henkels neues Buch ist lesenwert, weil er vor allem aus seiner Zeit als einflußreicher Wirtschaftslobbyist Hinz und Kunz kennt. Von Thilo Sarrazin bis Romano Prodi („mein Freund“). Deswegen kann er authentische Berichte liefern wie diesen über Norbert Blüm und Helmut Kohl: „Der kleine Mann kam mir immer wie eine vergnügte Putte vor, die aus einem riesigen Füllhorn Gaben ausstreut. Wo das Geld dafür herkam, hat ihn so wenig interessiert wie seinen Kanzler.“ Auch Horst Köhler kennt er. Seine These zu dessen überhastetem Rücktritt: Köhler ging, weil Merkel ihn zur Unterschrift unter das Euro-Rettungspaket gezwungen habe.

Das Buch beginnt mit einem überraschenden Schuldeingeständnis. Der frühere BDI-Präsident eröffnet den Tanz mit dem Satz „Ich bekenne mich schuldig: Auch ich war einmal überzeugter Anhänger des Euro.“ Selten ist von Politikern oder Wirtschaftsbossen so ein Satz zu hören. In Kapitel fünf legt Henkel seine Beweggründe von damals nieder. Die Stabilitätskriterien für den Euro waren hart genug, meint Henkel. Er konnte damals nicht ahnen, daß sie nicht eingehalten würden.

In einem Punkt sind Henkels Thesen etwas schwach. Die Argumente der Euro-Befürworter waren schon in den neunziger Jahren nicht überzeugend. Es gab damals genug Kritiker, denen er nur hätte zuhören müssen. Um es deutlich zu sagen: Wer damals an die Argumente Theo Waigels glaubte wie Henkel, der tat es nur, weil er daran glauben wollte. Das gilt insbesondere deshalb, weil Henkel heute das falsche Spiel der Trichets, Sarkozys, Junckers und all der anderen Betrüger in Europa klar erkennt und offen ausspricht.

Aber das Buch handelt ja davon, wie sich Henkel gewandelt hat. Deswegen ist es gut, daß er seine Beweggründe von damals noch einmal durchdekliniert – auch als Warnung an diejenigen, die heute sagen: Bankenrettung und EU-Transferunion sind erstens alternativlos und zweitens zum Wohle des deutschen Volkes. Andere Politiker wie Kohl und Schäuble, Eichel und Schröder – sie verteidigen heute noch ihre Pseudo-Meisterleistung und belügen die Öffentlichkeit, weil sie hoffen, das „dicke Ende“ nicht mehr erleben zu müssen oder die Schuld dann auf andere schieben zu können. So leicht macht es sich Hans-Olaf Henkel nicht.

Hans-Olaf Henkel: Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft. Heyne Verlag, München 2010, 207 Seiten, gebunden, 19,99 Euro.

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