© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Flucht in bleibende Werte
Rohsto­ffmarkt: Steigende Goldnachfrage wegen drohender In­ ation / Eurokrise und Dollarschwemme treiben den Preis
Marco Meng

Der Stabilitätsverfall des Euro und die Krise in den USA sorgen dafür, daß immer mehr Kapital in Gold angelegt wird. Seit November pendelt der Preis für eine Feinunze um die 1.400 Dollar, in Euro um die 1.050er-Marke. Daß die Finanzkrise längst nicht ausgestanden ist, zeigte sich im November, als der zweitgrößte US-Anleihenversicherer Ambac Insolvenz anmeldete. Das Unternehmen geriet mit der Subprime-Krise 2007 in Schwierigkeiten, es mußte für faule US-Hypotheken geradestehen. Ende 2009 war laut der Ratingagentur Moody’s bei Ambac eine Gesamtsumme von 387 Milliarden Dollar versichert.

Weil die US-Notenbank Fed den Schuldenkollaps durch Kauf von Staatsanleihen im Volumen von 600 Milliarden Dollar hinauszögert – also Geld druckt und damit die Geldentwertung beflügelt –, gehen viele Marktteilnehmer davon aus, daß die US-Inflationsrate schon nächstes Jahr zweistellig werden kann. Der Goldpreis könnte dann auf Werte von über 2.400 Dollar steigen. Wenn der Edelmetallpreis steigt, verlieren die Papierwährungen, denn Gold ist an kein Schuldversprechen einer Regierung, einer Notenbank oder gar eines Rettungsfonds gebunden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat derweil sein Goldverkaufsprogramm fortgesetzt: Ende Oktober betrugen die IWF-Goldbestände nur noch 2.847 Tonnen – 19,5 Tonnen weniger als im Vormonat. Weitere 403 Tonnen Gold sollen veräußert werden, um so zinsgünstige Kredite an finanzschwache Länder vergeben zu können.

Die steigenden Renditen der europäischen Staatsanleihen weisen auf eine erneute Zuspitzung der Eurokrise hin. Laut IWF muß sich Spanien 2011 245 Milliarden Dollar an den Märkten besorgen, Italien 462 Milliarden Dollar. Vor allem Griechenland, Irland und Portugal müssen immer höhere Zinsen zahlen, wenn sie sich über den Markt finanzieren wollen. Die Situation im portugiesischen Bankensektor sei wegen der zunehmenden Liquiditätsprobleme „ernst“, warnte die dortige Nationalbank.

Zwar kann die Europäische Zentralbank (EZB) „helfend“ eingreifen, indem sie weiter Staatsanleihen aufkauft, doch auch das würde Inflationsgefahren bringen. Die Unsicherheiten bei europäischen Banken lassen sich aus dem Umfang der Übernachteinlagen von Banken des Euro-Systems bei der EZB ablesen: Sie sind im November von 28,14 auf 127,7 Milliarden Euro emporgeschnellt.

Daß eine Währungsunion ohne Wirtschaftsunion scheitert, ist eine ökonomische Binsenweisheit. In Brüssel wird daher eifrig über eine EU-Wirtschaftsregierung nachgedacht. Doch kann es eine Wirtschaftsunion angesichts der tiefverwurzelten Mentalitätsunterschiede in Europa auf absehbare Zeit überhaupt geben? All dies erklärt, warum vermehrt in Gold, Silber oder Platin investiert wird. Doch die Edelmetalle sind nicht unbegrenzt vorhanden: Etwa zwei Drittel des jährlich angebotenen Goldes kommen neu aus dem Boden. Die Ausbeute der Minen geht aber zurück. Wie beim Öl (Peak Oil, JF 22/10) könnte der Gipfel der Produktion schon überschritten sein, denn neue Vorkommen haben meist nur einen sehr geringen Goldgehalt.

In den Minen in Australien, Kanada und den USA verringerte sich der Goldanteil im Gestein seit 1950 von durchschnittlich zwölf Gramm auf heute knapp drei Gramm pro Tonne. Doch nicht nur dadurch und die steigende Nachfrage von Anlegern steigt der Goldpreis. China, das Südafrika als größten Goldproduzenten abgelöst hat, hält mit etwa 2,6 Billionen Dollar die größten Devisenreserven der Welt. Und die wird China angesichts der Papiergeldflut sukzessive umtauschen – auch in Gold, was das Edelmetall weiter verteuern wird.

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