© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Stern, auf den ich schaue
Aus der kleinen ostsächsischen Stadt Herrnhut stammt der schönste Adventsstern der christlichen Welt
Paul Leonhard

Christen in aller Welt hängen traditionell Sterne am ersten Advent auf: Herrnhuter Sterne. Benannt nach der Brüdergemeine in der kleinen ostsächsischen Stadt. Hier werden die Advents- und Weihnachtssterne seit 160 Jahren hergestellt. Sie symbolisieren die biblische Botschaft, daß Jesus Christus das Licht der Welt ist. „Als Symbol für den Stern der biblischen Weihnachtsgeschichte ist er nicht nur ein weltweit beliebtes Dekorationselement, sondern er verkündet zugleich die christliche Botschaft“, doziert Thomas Przyluski, Pressesprecher der Herrnhuter Brüdergemeine.

Entstanden ist der „schönste Adventsstern der Welt“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Bildungseinrichtung der Brüder-Unität. Für das Jahr 1821 ist er erstmals nachgewiesen. Damals feierte die Knabenanstalt in Niesky ein Fest zum 50. Jahrestag ihres Bestehens. Über dem Hof schwebte ein beleuchteter Stern mit 220 Zacken. Allerdings war es nicht der erste Advent, sondern das Dreikönigsfest, an dem die Jubiläumsfeier stattfand. Anderen gilt Hermann Bourquin (1847–1913) als „Erfinder des Sterns“. Der Erzieher wollte seinen Schülern im Mathematikunterricht den Aufbau eines konvexen Polyeders veranschaulichen. Die Kinder bastelten die vielflächigen Körper aus Papier. Mit den auf die Flächen angesetzten Pyramiden seien dann die Sterne entstanden.

Auch andere Internate der Brüdergemeine nutzten die Basteleien, um ihren Zöglingen geometrisches Wissen und räumliches Vorstellungsvermögen zu vermitteln. Irgendwann entwickelte sich die Tradition, zu Beginn der Adventszeit gemeinsam Sterne zu bauen und mit diesen die Internatsstuben zu schmücken. „Diese besinnlichen Stunden in der Gemeinschaft waren so zugleich glückliche Stunden in den Internatsgruppen und halfen den Kindern auch, die Trennung von ihren Familien leichter zu verwinden und die vorweihnachtliche Zeit zu genießen“, heißt es in der Chronik der Brüder-Unität.

Die Herrnhuter waren Missionare. Die Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Mähren, denen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf 1722 Land zur Verfügung stellte, machten Herrnhut zu ihrem Hauptsitz, von dem sie in die Welt zogen, um zu missionieren. Viele der in den Internaten aufgewachsenen Herrnhuter übernahmen den Brauch später in ihre eigenen Familien. So verbreitete sich der Brauch des „Sternelns“ in der ganzen Welt. In Missionsorten wie dem südafrikanischen Genadendal oder Elim werden Herrnhuter Sterne noch heute zur Ausschmückung der Adventszeit in Handarbeit hergestellt.

Die Bastelarbeit der Schüler wurde ein Welterfolg. 1894 eröffnete Pieter Hendrik Verbeek in Herrnhut ein Buchgeschäft, in dem er auch Bastelbögen zum Sternenbau anbot. Er entwickelte einen stabilen und zusammensetzbaren Stern mit 25 Zacken. Bis heute besteht der Stern aus einem kleinen Rhombenkuboktaeder mit 26 Flächen, 17 viereckigen und acht dreieckigen Zacken. In der Packung befinden sich außerdem Montageklammern, ein Aufhängesteg und zwei Reservezacken.

Insgesamt 50 Mitarbeiter der Herrnhuter Sterne Manufaktur, eines Wirtschaftsunternehmens der Evangelischen Brüder-Unität, stellen in Handarbeit jährlich mehr als 240.000 Herrnhuter Sterne in verschiedenen Papier- und Kunststoffausführungen her. Außerdem gibt es Lichterketten mit zehn kleinen Kunststoffsternen. In einigen Familien ist es Brauch, den Stern gemeinsam zusammenzubauen und so die besinnliche Weihnachtszeit einzuläuten.

In Herrnhut werden die Sterne das ganze Jahr über in Handarbeit gefertigt. In einer Schauwerkstatt kann man den Arbeitern dabei zusehen. Auf den kontinuierlichen Besucheransturm – allein im vergangenen Jahr kamen 18.000 Neugierige – hat die Manufaktur mit dem Bau eines neuen Besucherzentrums reagiert. Es wurde Ende Oktober eröffnet und ist Teil eines Fertigungs- und Verwaltungsgebäudes, an dem noch fleißig gearbeitet wird. Kernstück des Besucherzentrums ist ein Ausstellungs- und Präsentationsraum in Form eines von innen begehbaren Sterns. In ihm werden den Besuchern Geschichte und Entstehung des Herrnhuter Sterns erläutert. Auch gibt es Informationen zu Herrnhut und der Brüder-Unität. www.herrnhuter-sterne.de

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