© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Ein Parteichef auf Abruf
FDP: Angesichts sinkender Umfragewerte und der kommenden Landtagswahlen stehen bei den Liberalen die Zeichen auf einen Machtwechsel
Paul Rosen

Hatte Edmund Stoiber doch recht, als er Guido Westerwelle vor Jahren einen „Leichtmatrosen“ nannte, was heißen sollte, daß der FDP-Chef stürmischer See nicht gewachsen sei? Tatsächlich spricht vieles dafür, daß das FDP-Schiff gefährlichen Klippen zutreibt. Sieben Landtagswahlen stehen 2011 an. Da die FDP in Umfragen mittlerweile auf bis zu drei Prozent gesunken ist, fürchten immer mehr Landespolitiker um ihre Mandate.

Das läßt die ohnehin große Nervosität in der Partei steigen. Der rheinland-pfälzische FDP-Vorsitzende Herbert Mertin will Westerwelle in seinem Landtagswahlkampf nicht mehr auftreten lassen. Noch schärfer kritisierte der hessische Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn Westerwelle, indem er ihn aufforderte, auf dem FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart am 6. Januar seinen Rücktritt zum nächsten Parteitag anzukündigen. Der Generalsekretär der saarländischen FDP, Rüdiger Linsler, hatte bereits im Sommer den Rücktritt von Westerwelle gefordert und legte jetzt nach: „Es war seinerzeit schon klar, daß wir mit Guido Westerwelle, bedingt durch seine Doppelfunktion als Außenminister und FDP-Chef, die Trendwende nach dem katastrophalen Absturz nicht schaffen würden.“

Eröffnet hatte die jüngste Debatte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki. Er hatte den Zustand der FDP mit der „Spätphase der DDR“ verglichen und bleibt bei seiner Kritik: „Es wäre naiv zu glauben, daß er durch einen einzigen Redebeitrag die verfahrene Situation lösen könnte“, sagte Kubicki zu den Gerüchten, Westerwelle wolle zu Dreikönige die Lage umdrehen so wie seinerzeit Helmut Kohl auf dem Hamburger CDU-Parteitag, wo der Kanzler mit einer Jahrhundertrede die Delegierten wieder auf seine Seite gezogen hatte. Geschichte wiederholt sich jedoch nicht.

Aber es gibt Parallelen. Etwa zum Niedergang von Edmund Stoiber 2007. Wenn Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagt, die FDP habe mit Westerwelle einen „Vorsitzenden, der das Vertrauen des gesamten Präsidiums genießt“, dann erinnert dies an die Treueschwüre der CSU-Verschwörer Günther Beckstein und Erwin Huber auf Stoiber; beide stürzten ihn kurz danach. Westerwelle selbst ließ unterdessen in einem Interview offen, ob er im Mai auf dem Parteitag in Rostock wieder kandidieren werde. 

Landesverbände der FDP wie in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen sind inzwischen zur Überzeugung gelangt, daß mit Westerwelle keine Wahlen mehr zu gewinnen sind. Für die Machtverhältnisse in der Partei ist es entscheidend, wie sich der starke nordrhein-westfälische Landesverband verhält. „Westerwelle wird nicht hinschmeißen“, sagte der neue nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Daniel Bahr. Und Gesundheitsminister Philipp Rösler, der den ebenfalls bedeutenden Landesverband Niedersachsen vertritt, bescheinigte den Gegnern Westerwelles „Zwergenmut“. Wenn der Druck anhält, ist jedoch auch mit einem Umschwenken dieser beiden Verbände zu rechnen.

Es gibt mehrere Gründe, warum die FDP in die Tiefe gestürzt ist, aus der Westerwelle sie nicht mehr herausholen kann. Da ist zunächst seine Amtsführung als Außenminister: „Neben Hillary Clinton und anderen Mächtigen wirkte er immer einen Tick zu wichtig, zu würdevoll und zu angetan“, beobachtete die Süddeutsche Zeitung. Hinzu kam sein öffentliches Bekenntnis zur Homosexualität und seine „Verpartnerung“ mit seinem Lebensgefährten. Das wird nicht nur in fremden Kulturkreisen wie der arabischen Welt nicht geschätzt, sondern empfinden auch viele bürgerliche Wähler als anstößig.

Westerwelle hat zur Absicherung seiner Macht wichtige Positionen wie den Fraktionsvorsitz im Bundestag mit schwachen Politikern besetzt, damit ihm keine Konkurrenz entsteht. Fraktionschefin Birgit Homburger hat weder die erforderlichen rhetorischen Fähigkeiten noch die Durchsetzungsfähigkeit in den eigenen Reihen und gegenüber dem Koalitionspartner. Die größte FDP-Fraktion aller Zeiten ist in Wirklichkeit ein schwacher Haufen, der nicht viel mehr hinbekommen hat als eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels.

Längst sind die Grünen die Vertreter der jüngeren Aufsteiger, die früher FDP gewählt haben. In Zeiten, in denen selbst Fahrten zum Bäcker in „Sozialen Netzwerken“ von den Betroffenen öffentlich angekündigt werden, wirkt die Präsentation von FDP-Themen wie Datenschutz und Bürgerrechte museumsreif. Eine kritische Haltung zu Europa und zum Euro, die viele Wähler erwartet haben dürften, verstößt gegen die FDP-Räson als Europapartei, die den Nationalstaat am liebsten abschaffen würde. Damit schafft sie sich letztendlich selbst ab. Das Problem ist größer als Westerwelle.

Foto: Guido Westerwelles Zeit als Parteivorsitzender geht zu Ende: Noch hat der FDP-Chef wichtige Landesverbände auf seiner Seite

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