© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Sachsen bastelt an Extremismusklausel
„Kampf gegen Rechts“: Der Freistaat will verhindern, daß Linksextremisten von staatlichen Förderprogrammen pro­fitieren
Paul Leonhard

Unter dem Denckmantel des Schutzes der Demokratie sind in Sachsen seit Jahren Linksextremisten aktiv. Sie finanzieren sich auch durch staatliche Fördermittel, die sie indirekt über Initiativen und Vereine erhalten. Dieser Entwicklung wollte das Innenministerium mit einer Demokratieerklärung Einhalt gebieten. Alle Vereine, die staatliche Zuwendungen erhalten, sollten sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen sowie sich verpflichten, nicht mit als extremistisch eingestuften Personen zusammenzuarbeiten.

Der Aufschrei in der linken Szene war groß. Bereits Anfang November hatte das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Pirna für einen Eklat gesorgt, als es deswegen die Entgegennahme des mit 10.000 Euro dotierten Sächsischen Demokratiepreises ablehnte. Der Verein weigerte sich auch, für die Verfassungstreue aller Kooperationspartner zu haften. Genau damit liegt es aber im argen. Der Verein könne nicht ausschließen, daß Mitglieder beispielsweise an rechtswidrigen Blockaden von „Neonazi-Aufmärschen“ teilnehmen, hieß es. In den vergangenen Jahren hatten sogenannte „Autonome“ aus Anlaß des Jahrestages der Bombardierung Dresdens sich immer wieder Schlachten mit der Polizei geliefert.

„Es läßt tief blicken, wenn Initiativen gegen Rechtsextremismus sich weigern, sich zum Grundgesetz unseres Landes zu bekennen“, konstatiert Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Wer ein Bekenntnis zur Verfassung ablehne, habe in der politischen Bildung und Jugendarbeit nichts zu suchen. Für den grünen Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn ist der eigentliche Konflikt dagegen „der Rechtsextremismus im Freistaat“. Sachsen habe sich „zu einem wichtigen Aktionsraum der Autonomen entwickelt“, heißt es dagegen im aktuellen sächsischen Verfassungsschutzbericht. Schon 2008 wurden in Sachsen nach Hamburg die meisten linksextremistischen Gewalttaten pro 100.000 Einwohner registriert. 2009 ist die Anzahl der Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund sowie die der darin enthaltenen Gewalttaten erneut angestiegen. Rund zwei Drittel aller linksextremistischen Gewalttaten wurden bei Demonstrationen begangen. Dabei richten sich die Gewalttaten sowohl gegen Rechtsextremisten als auch gegen die eingesetzte Polizei. Zwar waren 2009 nur 740 Links- gegenüber 2.700 Rechtsextremisten registriert, aber 84 rechtsextremistische Gewalttaten standen 89 linksextremistische gegenüber, was deren Gewaltbereitschaft verdeutlicht.

Sympathie genießen alle linken Initiativen bei Kirche, Gewerkschaften, Linkspartei, Bündnisgrünen und SPD. Längst dürfen sie bestimmen, wer als „Neonazi“ oder „Rassist“ eingestuft wird. So sprechen Politiker von SPD, Linken und Grünen in einer gemeinsamen Erklärung dem Verfassungsschutz das Recht ab, zu „definieren, wer extremistisch ist und wer nicht“.

Bisher vergeblich machte sich Sachsen für eine bundeseinheitliche Bindung staatlicher Fördermittel an eine Treueerklärung zur Verfassung stark. Der sozialdemokratische Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, lehnte bereits einen entsprechenden Vorschlag seines sächsischen Amtskollegen Markus Ulbig (CDU) ab. Letzterer hatte allerdings sein Papier etwas zu hastig zusammengeschrieben. Insbesondere die angekündigte Kontrollpflicht gegenüber der politischen Einstellung von Projektpartnern durch die Vereine geht dem Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis zu weit.

Dieser hatte im Auftrag mehrerer Vereine ein Gutachten erarbeitet, in dem er die „Extremismusklausel“ als „zu unbestimmt und ungeeignet“ ablehnt. Grundsätzlich hält Battis aber das Papier für rechtskonform: „Es ist verständlich, daß abgesichert werden soll, daß nicht diejenigen Geld bekommen, um die man sich eigentlich kümmern will.“ Wenn sich der Staat schon in den politischen Meinungsstreit einmische, entspreche die Verknüpfung mit dem Grundgesetz „genau der Zweckbindung, die sinnvoll ist“. Ulbig nimmt die Bedenken ernst. Bis Januar will er eine neue Formulierung für die Extremismusklausel finden.

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