© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Zeitschriftenkritik: Gegengift
2011 wird …
Werner Norden

Die in diesen Tagen erscheinende erste Januar-Ausgabe der Zeitschrift Gegengift wartet einmal mehr mit einer interessanten Umfrage auf. „2011 wird …“ lautete die Vorgabe, die Michael Ludwig, Herausgeber und Chefredakteur der im 22. Jahrgang im DIN-A5-Format zweiwöchentlich erscheinenden „Zeitschrift für Politik und Kultur“, den Autoren seines Heftes gestellt hatte. Zwar sind die Antworten auf die Fragen nach der Zukunft des Euro, den künftigen Enthüllungen von Wikileaks und dem wirtschaftlichen Auf- oder Abschwung in jeder Hinsicht spekulativ und – wie nicht anders zu erwarten – so unterschiedlich wie ihre Verfasser, doch stehen neben manch tiefen Einblicken in deren Gedankenwelt bei den meisten eher durchaus pessimistische Visionen im Vordergrund.

So sieht beispielsweise Frank Sage voraus, daß mit dem Geld der deutschen Steuerzahler die Staatshaushalte der EU-Krisenländer ausgeglichen werden, was unter anderem eine horrende Neuverschuldung nach sich ziehen und zudem dem „Jobwunderland“ den Boden unter den Füßen wegziehen wird. Doch hofft er zugleich, daß die Euro-Krise die Geburt einer EU-kritischen Partei beschleunigen und einen „Euro-Sarrazin“ hervorbringen wird, der im Verbund mit einem „Ausländer-Sarrazin“ zum Volkstribun avanciert und die bundesdeutsche Politikerkaste durch diesen Druck endlich zur Vernunft kommt. Um nicht wirtschaftlich und politisch unterzugehen, müßte Deutschland dann aus der Schmalspur-Währung aussteigen, womit zumindest ein Problem gelöst wäre.

Heribert Seifert sieht hingegen in der Zukunft die öffentliche Meinung durch immer repressivere Regelungen der politischen Korrektheit noch stärker eingeengt und schätzt, daß „Europas Regierungen lieber gegen ihre eigenen Völker putschen, als einen Irrweg zu beenden“. Aus seinem Herzen keine Mördergrube macht Walter Volkmann, wenn er 2011 als sein ganz persönliches „Jahr der Rache“ ankündigt und allen „Politdauerlügnern, Euro-Ruinierern, Sozialabgaben-Abpressern, Diäten fressenden Politikern, großen Finanzspekulanten, kleinen Hartz-IV-Schwindlern und Strompreiserhöhern“ das Handwerk zu legen und ihr schändliches Treiben zu beenden verspricht.

Den kürzesten, aber vermutlich präzisesten Beitrag liefert dagegen der Schriftsteller Lutz Rathenow ab, der die vorgegebene Zeile mit der lakonisch-weisen Erklärung „… garantiert anders als erwartet“ ergänzt, während Ingo Landsmann das Land mitsamt seiner gleichgültigen Bürger im freien Fall abwärts wähnt und rät, alle Hoffnung fahren zu lassen.

Beiträge von Ansgar Lange („Aufstand der Integrierten – Ein Manifest verteidigt die Zuwanderung“), Felix Dirsch („Wollt ihr das totale Engineering? – Zur Aktualität eines vor zehn Jahren erschienenen Essays von Botho Strauß“), Harald Harzheim („Politischer Molotow-Cocktail: Der kommende Aufstand“) und Herausgeber Michael Ludwig („Chinas großer Hunger“) runden das lesenswerte Heft ab.

Kontakt: Gegengift-Verlag, Michael Ludwig, Gerstenstraße 2, 85276 Pfaffenhofen. Der Einzelpreis beträgt 3 Euro, das Jahresabo kostet 72 Euro.  www.gegengift-verlag.de

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